Digitale Kopien und Rauschen

Hallo Johannes Kreidler, ich häte da mal eine Frage. Du kennst bestimmt "I'm sitting in a room" von Alvin Lucier. Das gehen von Kopie zu Kopie immer mehr Informationen verloren, bzw. ändern sich zu anderen. Martin Supper sagte neuelich auf Nachfrage, das gelte auch für digitale Kopien. Die seien auch nicht 1:1 - überall sei Rauschen.

Dann sind aber die sog. Raubkopien auch längst eben keine Klone sondern wirklich Kopien. Was heißt das für den Werkbegriff, für das Urheberrecht, für uns? Dich und mich?

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Kommentare

Hallo Martin, klar kenn ich

Hallo Martin, klar kenn ich den Lucier.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Aussage von Supper Quatsch ist, jede Datei besteht aus Zahlen und beim Kopieren werden genau die Zahlen kopiert; da passiert keinerlei Änderung, ob nun bei einer Textdatei oder einer Klangdatei.

Sonst hätte sich ja jahrelang die weltweite Öffentlichkeit getäuscht.

Grüße
Johannes

Hallo, der Zufall des

Hallo,

der Zufall des digitalen Rauschens führte mich zu dieser Seite. Dazu einige Bemerkungen: offensichtlich kennt Johannes Kreidler das Prinzip der Klangtransformationen von “I am Sitting in a Room“ nicht oder er hat die Frage falsch verstanden oder die Frage war unpräzise. Bei Alvin Lucier geschieht der Weg des Kopierens innerhalb eines gegebenen Raums über die (Luft-) Strecke Lautsprecher / Mikrophon. Bei jeder Wiederholung wird der Raum erneut angeregt, wodurch sich die akustischen Eigenschaften dieses Raumes mehr und mehr bemerkbar machen. Ebenso machen sich die (elektro-) akustischen Eigenschaften aller (damals analog) eingesetzten Geräte mehr und mehr bemerkbar: Mikrophon, Verstärker, Tonbandgerät, Tonbandmaterial, Lautsprecher etc. etc.

Nachdem ich die analog produzierte Version Luciers vorgestellt hatte, war eine Frage aus dem Auditorium, ob es auch Veränderungen der Kopien bei der Anwendung digitaler Techniken gäbe. Selbstverständlich gibt es diese! Denn hier wird ja über die analoge Strecke Lautsprecher / Mikrophon weiterhin der Raum in gleicher Weise angeregt und die Wiederholung dieses Vorgangs ist ja das Prinzip von “I am Sitting in a Room“. Da bei Anwendung digitaler Technik bei jeder Wiederholung das analoge Signal erneut vom Aufnahmegerät digitalisiert wird, machen sich hier zusätzlich alle Artefakte der Digitaltechik mehr und mehr bemerkbar, beispielsweise Quantisierungsfehler und das damit resultierende Quantisierungsrauschen.

--- Martin Supper

Wenn sich die

Wenn sich die Weltöffentlichkeit täuscht, wäre das nicht so sehr mein Problem. So etwas kommt vor.

Ich denke aber, dass Supper schon recht haben könnte. Also im Idealfall natürlich nicht. Da aber die Maschinen nicht frei sind von Fehlern - im Fall von CD und Player ist das mindestens offensichtlich (Fehlerkorrekturen etc) Da ist eine eins dann eben doch eine 0.

Oder anders gefragt, besteht denn nicht das Digitale grundsätzlich aus einem Fehler. Oder mehreren. Ist eine digitale Sinusschwingung wirklich eine Sinusschwingung, egal wie fein sie aufgelöst ist?

Mag sein, das sind ganz alte Fragen und alle längst beantwortet, ich bin mir da ja nicht sicher, ob sie dann auch wirklich beantwortet sind - schon gar nicht für immer.

Was ein CD-Player an

Was ein CD-Player an Fehlerkorrektur macht weiß ich nicht, ich denke das hat zu tun mit Kratzer auf CDs, wenn also eine Information physisch kaputt ist. Aber das kommt ja doch immer weniger vor, würde ich sagen.
Das mit der Sinusschwingung, nunja, alle digitale Klangerzeugung (=aus diskreten Werten generierte Schallwellen) ist natürlich eine Täuschung des Ohrs, aber da wird's philosophisch, was überhaupt Wahrheit ist...

Das ist doch mal ein Ansatz.

Das ist doch mal ein Ansatz. Inwieweit kann man die Täuschung ohne Verluste tauschen. Oder multipliziert sich die Täuschung nicht auch irgendwann?

Ist doch ein bisschen wie Evolution. Wenn Gene kopiert werden, dann sind sie "normalerweise" gleich. Aber eben nicht immer. Beim Kopieren der Gene gibt es aus hinzutretenden Ursachen durchaus Veränderungen. Selbst das Klonschaf ist nicht vollidentisch.

Im digitalen Bereich weiß ich nicht, ob so etwas auf die Dauer auch auftritt. Aber mir scheint das plausibel. Leider haben wir nur selten von der digitalen Mutter das Urur-Enkelkind. Kopiervorgänge sind gewöhnlich früher beendet. Bei Lucier gehen die Phänomene fast augenblicklich los. Vielleicht bei Kopien erst ab der dreitausendsten Kopie.

Ja, das mit der 3000. Kopie

Ja, das mit der 3000. Kopie kann natürlich sein. Aber selbst dann ist die Auswirkung glaube ich nicht vergleichbar mit einer Genmutation.
Es gab mal den Fall dass ein Spiel nur kurz verkauft wurde aber sich dennoch millionenfach verbreitete, und das noch vor dem Internet, d.h. es wurde nicht zentral verbreitet sondern immer weiterkopiert:
http://de.wikipedia.org/wiki/The_Great_Giana_Sisters

Da tauchten bei den Ururur---enkeln aber auch noch keine nennenswerten Schäden auf, denke ich.

Digitale Kälte

Och Mensch. Theoretisch finde ich die Alternative sozusagen des digitalen Kältetods viel poetischer. Und sie hätte auch mit Schein und Sein zu tun und so etwas. So bleibt einem nur die digitale Kälte an sich.

Korrektur

Schön, dass man die Dinge so klären kann. Meine Frage im Auditorium war nämlich, die ob, reine digitale Kopien (ohne Raum etc) auch solche Effekte zeitigen würden. Beim Scheiden und reinen Kopieren von Bändern ist das etwas, was passiert. Das Rauschen nimmt zu, das Signal verschwindet. Ich weiß nicht genau, wie viele Kopien da noch erträglich wären. Der Kreidler hat das Prinzip nicht missverstanden, sondern meine Frage und Ihre Antwort, Herr Supper, haben nicht zueinander gefunden.

Verspätete Anmerkungen

Rein digitale Kopien können tatsächlich beliebig oft gemacht werden, auch zehntausende, eine von der nächsten. Fehler beim Kopieren können erkannt, und kleinere Inkonsistenzen tatsächlich ausgebügelt werden [1].

Gefährlicher ist das Nicht-Kopieren. Festplatten sind nicht sehr dauerhaft, bei CDs weiss man es nicht. Kleinere Datenfehler können ausgeglichen werden, aber irgendwann geht es gar nicht mehr, und dann ist oft gleich alles verloren.

Ich erinnere mich noch gut an meine ersten DAT-Bänder. Kopieren ging wunderbar, aber nach ein paar Jahren wurden einige Bänder erst etwas langsamer, und kurz darauf konnte ich sie gar nicht mehr lesen.

[1] http://en.wikipedia.org/wiki/Cyclic_redundancy_check#Mathematics_of_CRC