Spaß gehabt - eine Art soziales Kunstwerk

Niveauniederungen. Es geht immer tiefer. Niedriger. Nach unten ist die Skala offen - und manch einer fällt unangenehm durch das Loch. Wie lese ich gerade über Berkeley im Deutschlandfunk-Newsletter Forschung:

Ob der Mond tatsächlich da ist, wenn keiner hinschaut, trieb bereits den Philosophen George Berkeley um. Nein, meinte er, denn Sein heißt wahrgenommen werden – was keiner sieht, ist deshalb auch nicht real. Auch gestandene Blogger Quantenphysiker kommen bei der Frage ins Grübeln. [Quelle]

Und umgekehrt scheint es ähnlich zu sein. Nur was wahrgenommen wird, ist auch wirklich. Erst wenn ein Thema über eine bestimmte Wahrnehmungsschwelle gehoben wird, wird es Thema.

Nehmen wird die Urteilskraft. Gerade seit Februar in der Nachfolge der kritischen masse, steht sie mit Google-Pagerank 0 und kaum Inhalten irgendwo in der Ecke. Die adical-Sache und re:pubblica verschafften ihr immerhin minimale Aufmerksamkeit. Man wurde verlinkt. Jetzt ist die Aufregung vorbei - und alles geht seinen gewohnten Gang.

Da! Aufregung um einen geklauten Text, riesige Aufregung um den geklauten Text. Eine große Rauchwolke. Schlimme Sache. Ich verweise einfach auf die zusammenfassende Seite im Pottblog. Ich kann es nicht wissen, ich muss es nur vermuten, aber merkwürdig ist das schon, dass all die Beteiligten sonst so ganz ehrliche Leute sein sollen, was den Umgang mit Rechten anderer angeht. Das ändert sicher an der Beurteilung des konkreten Fall gar nichts - wobei mir eigentlich die "übermittelte Reaktion" der WAZ-Redakteurin (oder -Mitarbeiterin) sehr ärgerlich erscheint und viel schlimmer als dieser Klau. Vielleicht sollte man das in künftige Honorare einfach einmal miteinberechnen, so wie es der Einzelhandel tut, der Diebstahl einkalkuliert. Mir ist der ganze Aufruhr drumherum eher unheimlich.

Da habe ich dann nachträglich auch Mitleid mit der Plattenfirma (dependence), die kürzlich wohl aufgeben wird. Was Mario Sixtus einigermaßen süffisant kommentiert hat. Korrelierende Kausalität aus dem deutschen Kaukasus. Tja.

Überhaupt ist der Tonfall bisweilen ärgerlich bis verärgernd. Eben lese ich (wie auch immer ich da hin kam):

Lieber n Tagebucheintrach vonnem liebeskranken Teenager, als inhaltsleere Hirnwichse, die sich als allgemeingültige Philosophie der Blogsphäre ausgibt. Lieber n netten, ehrlich gemeinten Beitrach vonnem echten Menschen, als dieses Geklüngel und Geklingel von den Web2.0-Zukurzgekommen-NewEconomy-Flachhirni-Subhumanen. [Quelle: Amok Koma » Geistreich? Wo?]

Mag auch das sein ein mit dem Hauch der der Verstellung versehener Beitrag. Ja, zurück zum ehrlichen Beitrag, der noch den ganzen Menschen enthält nämlich. Man mag ja geneigt sein, zu ahnen, was da gemeint ist, aber ausgedrückt ist dies ganz unfein.

Oder dieser Auflauf wegen einer Kampagne mit Calvin Klein Geruch odersowasinderart. Don Alphonso und Mario Sixtus dieses mal mit saftigen Rechnungen im Anflug für Kommentare, gemacht von handwerklich begabten Spammern. (Die Rechnungen sind aber vielleicht nie im Briefkasten gelandet, sehen mir mehr nach "offenen Briefen" aus; und wenn doch, wen wird das interessieren.) Ich werde schon deshalb nie bei den beiden etwas suchen und/oder proklamieren, weil ich einfach nie sicher sein kann, ob ein Kommentar dann nicht doch nur als Werbung eingestuft würde. Ist ja auch Interpretationssache. Den Vorgang selbst empfinde ich als unseriös. "Den Spieß umdrehen?" Ist das die Intention? Zeigen, dass das Internet kein Raum ist, in dem man so machen kann, was einem gerade so passt. Mir gefällt diese Entwicklung gar nicht.

[Ergänzung: Nebenerziehung würde ich das nennen.Verlautbarungen der Firma ist natürlich alles so aufgegangen und gewünscht. Schmierentheater auch das. Nirgendwo ist man sicher, nichts ist wie es ist, alles ist anders, nachträglich Bewunderung für Baudrillard, er hatte mehr Recht als es mir je lieb sein wollte. Ein dunkelschwarzer Horizont.]

Man könnte auch hier wieder mit Berkeley kommen. Sind diese Personen, die da spammen real? Sie sind es, auch wenn sie nicht real existieren (in Form und Funktion). Man könnte sogar soweit gehen und fragen, stehen diese irrealen Menschen ebenso unter Schutz? Menschenrechte? Unverletzlichkeit der Person? Wehrpflicht? Wahlrecht?

Quatsch?

Das hat alles seinen Nachgemack. Das ist wie ein altes Konzerterlebnis. So mit ohne Jeans etwa. Es hat seine allein juristische Ulkigkeit. Und vielleicht ist das alles auch nur ein aufgeregtes Zeichengeben nach außen und innen. Einen so richtig triefenden, urgründigen. Dagegen sehe man sich einmal den recht lustbetonten Briefwechsel zwischen der Brauerei Warsteiner und den Biermösl Blosn an. Hier in einem Forum. Ich habe aus einer Quelle erfahren, dass der Konsum von Warsteiner in München daraufhin tatsächlich in München signifikant gesunken sein soll. Aber vielleicht korrigieren die das durch eine nette adical-Kampangne in den meinungsbildenden Overblogs. Yeah, das wärs.

Verschlusssachen, Angst, Engagement, Pöbelei. Man kann es nicht recht fassen. Ich will es auch nicht recht fassen. Es ist vielleicht eben alles einfach nur Kunst. Eine Art soziales Kunstwerk welches da gerade ensteht an den Rändern der sog. Blogosphäre.

Irgendwer fehlt da doch noch. … Robert, Robert, …? Robert Ba [Sic!] oder war es OpeliX?

Nachsatz: Heute, 20.4.2007, Deutschlandfunk 19:15, David und Goliath? Wie der Komponist Rolf Riehm dem Krieg auf dem Bildschirm entgegentritt, Feature von Nora Bauer.

Kommentare

Aufgrund des Trackbacks

Aufgrund des Trackbacks aufmerksam geworden, habe ich mir den Beitrag durchgelesen. Tja, ich weiß, daß der Tonfall auf Amok Koma sehr rüde ist zu dem Thema "blogosphäre". Aber ich stehe zu jedem Wort und auch zu der Art und Weise. Ich habe in vielen blogs Beiträge gelesen, kommentiert, ich habe mir auch durchlesen dürfen, was die selbsternannten "Wichtigmänner" dieser "führenden" blogs so alles von sich geben - irgendwann hatte ich genug davon und eben jenen pöbelhaften Beitrag verfaßt. Ich sehe auch keinen Grund, warum ich das nicht tun sollte, es ist eben meine Meinung, die ich mir bestimmt nicht halbherzig und uninformiert aus dem Kreuz geleiert habe. Für zartbesaitete Gemüter mag das zu heftig sein, aber ich habe keine Lust mehr auf Euphemismen in diesem Fall.

Na da bin ich sehr dankbar

Na da bin ich sehr dankbar für diese Einlassungen, deren Kern ich zum Teil ja teile. Der Schlusshandstandüberschlag ist mir jedoch weiterhin zu grob und agiert dann mit der meines Erachtens falschen Konfrontation des "ehrlichen" und "echten". Da bin ich allergisch.