Schaf im Wolfspelz

Mut zur Wahrheit wäre eigentlich mal angebracht – bei der AfD.

Folgendes: Ich war auf der Suche nach Informationen zur AfD in unserem Wahlgebiet. Mal schauen, wer hier was so macht und sagt, in Kleinmachnow und Umgebung. Viel war da nicht zu finden, man wurde weitergeleitet zum gesamten Gebiet, Potsdam-Mittelmark. Die dort angeteaserten Texte boten das Übliche. Die Opferrolle der AfD wurde artikuliert. Mehr Informationen zum Programm? Da sollte man sich doch die Leitlinien ansehen unter dem Titel „Mut zur Wahrheit“. Und da wurde man in der Tat fündig: Was die AfD so aktuell in ihren eigenartigen Thesen so verlauten lässt, findet man da gar nicht: Unter Punkt 15 steht da:

„Politisch Verfolgten im Sinne des Grundgesetzes ist Asyl zu gewähren. Als Gäste des Landes sollen Asylanten würdig behandelt und als Mitmenschen akzeptiert werden, wozu auch das Recht gehört, ihr Auskommen selbst erarbeiten zu dürfen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Aus Gründen der Humanität ist es eine Pflicht, Kriegsflüchtlingen bei uns oder an anderen sicheren Aufenthaltsorten mit Unterkünften und dem notwendigen Lebensunterhalt beizustehen.“ (S. 11-12)

Matthäus Franck: Mißgestaltetes Schaf, geboren in Meersfeld bei Frankfurt. 1567, Holzschnitt, 27,5 × 37 cm. Zürich, Zentralbibliothek. Gedruckt von Matthäus Franck in Augsburg
Matthäus Franck: Mißgestaltetes Schaf, geboren in Meersfeld bei Frankfurt. 1567, Holzschnitt, 27,5 × 37 cm. Zürich, Zentralbibliothek. Gedruckt von Matthäus Franck in Augsburg

Irgendwie passt das nicht so recht zusammen mit dem, was die AfD aktuell durch ihre Spitzenpolitikerinnen raushaut. Da ist es hier doch „Pflicht“, Kriegsflüchtlingen beizustehen. Asylberechtigte sollen arbeiten dürfen (Auskommen selbst erarbeiten). Es geht um würdige Behandlung der Gäste. Dazu kann ein Schießbefehl an den Grenzen doch gar nicht gehören. Was ist hier Wahrheit, was ist hier aktuell Mut. Hier stimmt doch etwas nicht.

Na klar. Die Leitlinien sind von 2013. Aber man hat keine neuen, keine anderen. Mut zur Wahrheit wäre es, entweder, sich an die Leitlinien zu halten oder aber sie ihrer aktuellen Politikaktivität anzupassen. So jedenfalls passt das eine mit dem anderen nicht zusammen. Man kann sich nicht programmatisch links von der CSU aufstellen und rechts davon zu sprechen. Es gibt im Programm keine Obergrenzen für Asyl, keine für Flüchtlinge. Das „oder“ (hier oder an anderen sicheren Aufenthaltsorten) ist eines der Alternative. Wenn man in Deutschland nicht sicher ist, ja wo dann denn? Sie reden von Humanität, also sollte die AfD auch so handeln. Alles andere ist doch Wahltäuschung.

Oder man muss es vielleicht anders sagen: Leute, die AfD, die ist doch ein Schaf im Wolfspelz. Wer sie wegen „Angst vor einer Islamisierung des Abendlandes“ wählen mag, der ist offensichtlich bei der AfD am falschen Platz. Denn es wäre doch für das Selbstverständnis dieser Partei fatal, wenn sie ihre Wählerinnen belügen wollte. Mut zur Wahrheit, AfD! Macht, was ihr proklamiert und verarscht eure Fans nicht.

Ach ja, da war noch die Sache mit der Kultur. In den Leitlinien ziemlich wenig zu finden bei der AfD:

„19. Zur grundgesetzlich geschützten Würde der Menschen gehört auch, dass sie ihre freie Zeit ungezwungen im Kreis von Familie und Freunden, beim Sport, in der Natur oder mit der Verfolgung privater Interessen verbringen können. Den Anforderungen des Wirtschaftslebens müssen Grenzen gesetzt werden, denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Auch aus diesem Grund sind die Förderung des Vereinslebens, die Unterstützung der Künste und der Schutz der Natur wichtig.“ (S. 13).

Das ist ein bisschen dürftig, wie so vieles in den Leitlinien. Stütze für die Künste, da sind wir mal gespannt. Aber ist eigentlich ein anderes Thema.

PS: Natürlich weiß ich so gut wie jeder andere, der sich weder Ohren noch Augen zuhält, dass die AfD 1 mit der AfD 2 nichts mehr zu tun hat. Aber dennoch, wer auf andere Parteien so schimpft wie die aktuelle AfD, soll sich bitte auch an die eigene Nase fassen. Notfalls fassen lassen. Das alte Programm ist nach wie vor durch die Mitglieder abgestimmt. Alles, was heute anders gesagt wird, ist weder in Abgrenzung dazu, die man kenntlich machen müsste, legitimiert noch außer Kraft gesetzt. Die AfD heute ist nicht akzeptabel.

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Kommentare

Ihr Fehler ist: Sie haben

Ihr Fehler ist: Sie haben "Politisch Verfolgten im Sinne des Grundgesetzes" überlesen. Nach Grundgesetz - insbesonders §16a Artikel 2 - ist NIEMAND von denen, die über die Grenzen nach Deutschland kommen, Asylberechtigt. Kein einziger.
Und Kriegsflüchtling ist man nicht mehr, wenn man über mehrere sichere Länder hinweg nach Deutschland einreist - dann ist man schlicht illegaler Einwanderer.

Wer lesen kann, ist klar im

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. "Bei uns und oder" steht da, und für das Asylrecht gilt das nämliche. Darüber kann ja nur dort entschieden werden, wo der Antrag gestellt wird. Die Sache hat, wie die AfD hier sagt, ja nichts mit Dublin zu tun, sondern mit Humanität. Dass es daran gerade etwas fehlt, ist leider eine Entwicklung, die die AfD seit längerer Zeit durchexerziert.

(Die Sache mit den Kriegsflüchtlingen hätte sonst ja keiner Erwähnung bedurft in den Leitlinien, weil Deutschland quasi nur über "sichere" Drittländer erreichbar ist, außer per Flugzeug. Herr Reiners, man muss sich bei der AfD nicht für die dort verfassten Angaben schämen oder sie relativieren. Sie sind für AfD-Verhältnisse sogar ziemlich klar.)

Wäre die Position, die Sie der AfD hier überstülpen wollen, tatsächlich so gemeint und anders als gesagt, dann allerdings würde sie den Begriff der Humanität eigentümlich falsch für sich reklamieren. Dann kennte die AfD keine Pflicht zur Humanität. Ich weiß nicht, ob sich das die AfD von Ihnen anhören wollte.