Musikbeispiel:
Jan Lundgren Trio Solen glimmar blank och trind (kurz, dann unter dem
Text lassen)
Sprecher:
Was ist Jazz? Das Handwörterbuch der musikalischen Terminologie gibt
Auskunft über die Herkunft des Wortes. Jürgen Hunkemöller
schreibt dort: Jazz: angloamerikanisch-kreolisch (19. Jahrhundert):
Koitus, zielgerichtete Kraft, Schnelligkeit, Begeisterung, Raserei"
Musikbeispiel:
Jan Lundgren Trio Solen glimmar blank och trind (kurz aufblenden und wieder
unter dem Text abblenden)
Sprecher:
Viel übrig ist von diesem Koitus", der zielgerichteten
Kraft" und Raserei offenbar nicht. Nicht einmal, nicht zweimal, nein
immer wieder wurde dem Jazz das Rückgrat gebrochen indem man ihn
zum Entertainment kommerzialisierte. Eine Gegenbewegung war der Bebop,
der ganz absichtlich diesen Begriff anstelle des Begriffs des Jazz setzte,
war doch Jazz" in den dreissiger Jahren zu einem breitenwirksamen
Spektakel geworden. Der Schwarze oder wie man ihn damals noch abwertend
Nigger" nannte, wurde zu einem Zeremonien-Clown herabgewürdigt.
Und so ist es komisch, dass eben der Bebop plötzlich viel mit der
etymologischen Bedeutung des Jazz zu tun bekommt als es seine Protagonisten
ahnten.
Musikbeispiel:
Dizzy Gillespie, Jumpin With Symphony Sid 0:00 bis 0:14 (hart)
Sprecher:
In eine ähnlichen Situation befanden sich die Jazzmusiker auch zu
Beginn der 60er Jahre. Der Ausbruch des Jazz damals war eng verknüpft
mit der sozialen Bewegung der Schwarzen nach vollständiger Gleichberechtigung.
Es entstehen wieder gegen die Etikettierung Jazz" zum Beispiel
Don Cherrys New York Total Music Company", das Art Ensemble
of Chicago" und in Deutschland zum Beispiel die Free Music
Production" ein Label, das sich dieser Musik verschrieben hatte.
Musikbeispiel:
Albert Ayler, Spirits Rejoice (franz.-Paraphrase) eine strophe
Sprecher:
Lets play the music, not the background - Free Music: Das war der
letzte große Aufschrei im Jazz. Seit der Jazz seine gesellschaftliche
Bedeutung verloren hat, seit dem Jazz keine Bürgerrechtsbewegung
zur Seite steht (es sei denn die alljährliche nach Mallorca) hat
er seine Identität eingebüßt. So ist der größte
Teil der Jazzproduktion der Gegenwart einfach belangloses Rumgemurkse,
passend aufpoliert zur Kirsche im Cocktailglas, es sei denn es ist ihm
gelungen den Sprung zur artifiziellen Kunstform geschafft zu haben oder
Pop zu werden. Dass der Jazz gesellschaftsfähig geworden ist, hat
er nie verkraftet. Er ist zur Edelhure verkommen: Sex und Raserei sind
bestenfalls vorgetäuscht und klinisch rein portioniert, eben einfach
nur noch nett oder Blendung.
Musikbeispiel:
Lester Bowie, The Great Pretender, Refrain
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