Überschaubar: Die Welt. Obwohl die Bedrohung ja nicht geringer schien. Wolfsburg im Zonenrandgebiet, der Russe vor der Tür und hinter ihm der Chinese. Innerorts deutscher Herbst und so. In der Klasse einer der wenigen, die damals gegen die Einführung der Todesstrafe plädierten. Eigentlich waren wir nur zwei. Der andere war jemand, der schon mal ein bisschen grob werden konnte. Höchste Eskalationsstufe, sein Wurf eines Papierkorbs in Richtung der Lehrerin im Referedariat. Eine Frau mit einer 1 auf dem Konto. Sie kam danach nicht mehr in unsere Klasse.
Selbst die Eskalation schien einem irgendwie gemütlicher. Zumindest für mich als Schüler. Meine Elterns müssen, so sehe ich es wenigstens mit Blick auf mich, einiges richtig gemacht haben. Auch meine „Hood“ – wenn man bedenkt, dass zum Beispiel so etwas wie die Beichte in der Wolfsburger Kirche gerne am Tisch, sitzend gemacht wurde. Viel zu sagen hatte man nicht. Aber Ratschläge gab es von oben. Alles sehr weltlich, alles sehr nah, alles sehr ohne „Sündflut“. Die Mischung aus Arbeiterstadt und Beamtenwelt, von Vertriebenen, Gastarbeitern aus Italien vorrangig, später Spätaussiedler, es ging eigentlich ganz gut zusammen.
Der Wohnungsbau hat allerdings auch damals schon Probleme erzeugt. Neuland-Burg nannte sich so ein Wohnkomplex, der zu Testzwecken errichtet worden sein soll. War damals noch weniger erschütterbar als heute. Bekam mal aufs Maul, weil ich irgendwelchen Jungs nichts von meiner Chipstüte abgeben wollte. Heute würde ich die wohl auf den Boden fallen lassen und die Beine in die Hand nehmen.
Wie komme ich jetzt darauf? Die Musik hat mich zurück katapultiert. In eine Zeit an die man sich so erinnert, wie es einem einfällt und wie man es gerade braucht.