Kommende Katastrophen

Dies Pianissimo darf man nicht nehmen, wie es klingt, nicht bloß als Reflex der zartesten Regung der Seele, die es auch ist. Oft, gerade in Weberns Orchesterstücken, aber auch in einzelnen Wendungen der auf diese folgenden Stücke für Geige und Klavier op. 7 und für Cello und Klavier op. 11 ist dies dreifache Pianissimo, das Allerleiseste, der drohende Schatten eines unendlich entfernten und unendlich mächtigen Lärms: so klang, im Jahre 1916, auf einer Waldchaussee bei Frankfurt, der Kanonendonner von Verdun, der bis dahin trug. Hier berührt Webern sich mit Lyrikern wie Heym und Trakl, den Propheten des Krieges von 1914: das fallende Blatt wird zum Boten kommender Katastrophen.
[Band 16: Musikalische Schriften I-III: Anton von Webern. Digitale Bibliothek Band 97: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 12782 (vgl. GS 16, S. 117-118)]