29. April 2024 Die Masse lebt

Forum Veranstaltungswirtschaft dreht schon wieder frei

Ich erinnere nur an den Wunsch des Forums Veranstaltungswirtschaft aus dem Oktober letzten Jahres. Da forderte man mit Berufung auf einen Arzt und den Blick ins nähere Ausland den Freedom-Day für Anfang Dezember. Es kam anders. An der Forderung hatte man damals bis November festgehalten und sich später auch nie korrigiert in der Weise, dass man zugab, es sei halt eine Schnapsidee gewesen, die Berater nicht gut informiert etc. pp. Man beließ es bei einem plötzlichen „das war absehbar“.

Ich habe das für einen Unfall gehalten. Das werde nicht wieder passieren. Denkste. Vor zwei Wochen, am 7.2.2022, fordert Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), in einer Pressemitteilung mit dem Titel: „Veranstaltungsbranche fordert sofortige Öffnungsperspektive und Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis Ende 2022“:

„Nicht nur in den meisten europäischen Nachbarstaaten sondern auch in den Bundesländern werden die Corona-Regeln zunehmend gelockert. Die Maskenpflicht wurde abgeschafft und Abstandsregeln bestehen nicht mehr. Es ist höchste Zeit, dass das nun endlich uneingeschränkt im ganzen Land geschieht.“

Da muss der Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft offenbar in einer anderen Gegend der Welt leben, oder auf dem Mond – oder ist Deutschland plötzlich voll von Dänemark umzingelt? Vielleicht besucht er aber auch nur die selbe Kneipe wie ein Bundestagsvizepräsident – das würde manche Wahrnehmungsverzerrung erklären.

Später hat er nachgelegt in einer Meldung vom 14.2.2022, die über die dpa verbreitet wurde, wie hier in der neuen musikzeitung:

„Wer ein Konzert oder einer Veranstaltung besuchen will, muss künftig selbst bestimmen, ob er das Risiko einer Infektion zu tragen bereit ist“.

Na Bravo. Viel deutlicher kann man gar nicht zum Ausdruck bringen, wie wenig einem eine gesittete und gesicherte Zusammenkunft von Gästen auch untereinander am Herzen liegt. Für die nmz hatte ich Ende Januar ein kleines Umfragebild erhoben. Aus diesem ging hervor, dass Veranstaltungen vor allem auch deshalb weniger gerne besucht werden, weil man sich dort nicht sicher fühle. Dieses Publikum verlöre man dann sicher, sollte sich Michows Denkweise durchsetzen. Ich denke nicht, dass das Gros der Kulturveranstalter sich so ignorant gegenüber seinen Besuchenden verhalten wird. Jedenfalls nicht aktuell und auch in nächster Zukunft nicht.

Und ebenso wenig interessiert zeigt man sich, wenn man angeblich an das Publikum denke, das sich vor Konzertabsagen fürchte. In der selben Meldung liest man:

„Kulturveranstaltungen benötigen Vorlauf und müssen planbar sein, auch für die Zuschauer. Sie wollen keine Karten von Konzerten mit dem Risiko kaufen, dass die drei Tage vorher doch wieder abgesagt werden.“

Schaut man sich die aktuelle Situation an, werden Veranstaltungen doch nicht aus Gründen des Infektionsschutzgesetzes abgesagt, sondern weil beispielsweise unter den Künstler:innen Erkrankungen auftreten, die dann eben nicht zur Verfügung stehen. Nach wie vor ist sicher häufiger die Absage eine Folge von Krankheitsgeschehen als Folge einer behördlichen Auflage.

Ich bin mir nicht sicher, ob diese Art des Vorpreschens seitens des Forums Veranstaltungswirtschaft überhaupt noch ernst genommen wird. Die Reaktionen in der Kulturszene und der Politik: Man schweigt dazu offenbar lieber. Vielleicht besser so. Man kann auch eine Branche lächerlich machen, wenn man denkt, man setze sich für sie ein.

 

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