Enzyklopädie der Kritischen Masse
Kritische Masse Startseite
   
   
 
     

Quelle:
Taktlos No. 22 (Oktober)

Sendetermin: 3.10.1999 / 20:05 Bayern2Radio
Website taktlos

Zurück

Hören Sie das Beispiel

 

 

die einschalt-quote als intendant

© 1999 by Martin Hufner (EMail)

Sprecher 1:

Die Quote ist die Umsetzung des demokratischen Prinzips auf die Medienwelt. Quoten geben an, zu welcher Zeit welche Medienereignisse von welchem Publikum in welcher Verteilung wahrgenommen wird. Wenn man die Einschaltquoten auswertet, so lässt sich ausrechnen, was beliebt ist und was unbeliebt. Anhand der Quoten kann die Werbeindustrie entscheiden, wann sie mit welchen Produkten auf welchen Kanälen werben will. Hohe Quoten bedeuten erfolgreiches Programm und größere Werbeeinnahmen. So einfach ist das. Und umgekehrt: Ist die Quote schlecht, dann gebietet es das Votum der Zuschauer, das Programm doch – bitteschön – abzuändern, Moderatoren oder das Sendedesign auszutauschen. Die Einschaltquote und damit das Publikum werden zum Intendanten.

So gesehen geht alle Mediengewalt vom Volke aus. Die Form in der das geschieht kann man als „repräsentatives Plebeszit“ auffassen. Ist das demokratisch bloss weil die Daten demoskopisch erhoben und demografisch ausgewertet werden?

Vielleicht, aber es ist kein ausgewogenes demokratisches Verfahren. Man stelle sich vor, dass politische Entscheidungen auf diese Weise gefällt würden. Per Knopfdruck würde abgestimmt über die Einführung der Todesstrafe, einfach so. Keine Beratungspflicht, keine Aussprache, einfach wählen und bestimmen. Die Gründungsväter der Bundesrepublik haben daher ganz zurecht die Formen und Möglichkeiten direkter Demokratie begrenzt. Denn ihnen schwebte eine qualitativ bestimmte Demokratie vor, keine populistische.

Und gerade für qualitative Aussagen sind Einschaltquoten nicht geeignet. Es wird mit ihnen zum Beispiel nur sehr eingeschränkt Auskunft darüber erteilt, mit welchem Interesse und Aufmerksamkeitsgrad etwas wahrgenommen wird. Es kann nicht wirklich ermittelt werden, ob ein Medienereignis bewusst oder mehr oder weniger nebensächlich wahrgenommen wird. Wenn Frau Birgit van Eimeren in der neuen musikzeitung in einem Leserbrief geschrieben hat: „Tatsache ist, daß das Klassikprogramm des Bayerischen Rundfunks mit 370.000 Hörern an jedem Werktag mehr Klassikinteressierte anspricht, als alle Kulturorchester Deutschlands in einem Monat Besucher aufweisen,“ dann ist diese Unvergleichbarkeit auch in das Öffentlich-Rechtliche System eingesickert.

Die Einschaltquoten sind nur Einschalt-Quoten für technische Geräte, sie sind keine Ein-oderAus-Schalt-Quoten für Gehirne, Gefühle, gelungenes Vergnügen oder Erkenntnis.

Martin Hufner