3. Mai 2024 Die Masse lebt

Mahnung – nicht kopierwürdig

Die Fachgruppe der Schriftsteller bei ver.di, Johano Strasser von P.E.N. und Gottfried Honnefelder vom Börsenverein haben eine Mahnung verteilt. Unter dem Titel “Ohne geistiges Eigentum keine Informationsgesellschaft” fordern sie einen verstärkten Schutz für etwas. Das Etwas ist das merkwürdige:

Nur wenn der Staat diejenigen schützt, die vervielfältigungswürdige Inhalte schaffen, setzt er die nötigen Anreize dafür, dass solche Inhalte auch im digitalen Zeitalter noch entstehen können und in ihre Veredelung und öffentliche Bereitstellung investiert wird. [Quelle]

Das ist ein ernstzunehmendes Statement, das es lohnt, genauer betrachtet zu werden.

“Der Staat habe diejenigen zu schützen, die vervielfältigungswürdige Inhalte schafften.” Die Inhalte sind nicht zu schützen, sondern deren Macher, insofern sie vervielfältigungswürdige Inhalte schaffen. Was sind diese würdigen Inhalte und noch präziser, was sind sie nicht? Mit der Beantwortung dieser Frage hätte man einiges schon auf den Weg gebracht, respektive ausgeschlossen. Ich fürchte nur, den Autoren der Mahnung ist gar nicht klar, was sie da meinen. Ist deren Mahnung würdig vervielfältigt zu werden? Ja, denn sie setzten, siehe Link oben unnötig aber bezeichnend einen Copyrightvermerk neben das Download-Objekt. Die Würde des Dokuments ist unantastbar. Na, ich weiß doch nicht.

Selbst aber, wenn man die Frage nach Würde und Unwürde beantworten wollte, was wäre dann der Schutz des Subjekts. Personenschutz? Leibwachen für Autoren? Was wird wem denn angetan oder womit wird gedroht? Aber nehmen wir den Personenschutz ernst. Ohne diesen Schutz hat der Schaffende nämlich keinen Anreiz für das Schaffen, sagen die Verfasser dieser Mahnung, nicht nur implizit, sondern ausdrücklich! Stimmt das? Ist das generalisierbar? Vor allem in dieser Logik? Ich würde sagen: Nein.

Aber es wird nicht nur geschaffen, nur, wenn das gesichert ist, sondern nur dann wird auch “veredelt.” Verwasdelt? Veredelt. Wie auch immer, also Umschlag drum, 4farbiger Druck, Büttenpapier. Nur dann beißen Verleger an, sonst bleiben die Gedanken einfach in der Ecke liegen. Und nur dann, aber das ist der Hammer, wird in die “öffentliche” Bereitstellung investiert. a) Wer tut das, b) wer sollte das tun, c) was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Mir ist das Dokument der Mahnung nicht nur an dieser Stelle schleierhaft. Es trägt die Züge eines eilig und notdürftig hingeklopften Entwurfs. Auch ist nicht einmal klar, an wen es sich eigentlich wendet. Und da haben wir einen Knackpunkt. Es ist für Politiker verfasst, nicht für die Autoren selbst, nicht für dich und für mich. Es soll eine Situation dramatisieren. Es soll vor allem Geld aus Kopiertechniken und -geräten abzweigen. Damit Anreize für die Schriftsteller entstehen. Aber, unter den Unterzeichnern findet sich nicht die VG WORT. Warum eigentlich fehlt sie. Als Autorenverwertungsgesellschaft laufen dort die Erträge aus der Kopiergeräteabgabe ein! Und die hat Vollversammlung am 18. Mai. Also in drei Tagen in München.

Man kann die Mitglieder nur warnen, sich dieser Mahnung anzuschließen, wenn man sich nicht gänzlich lächerlich machen möchte.

Den Schlusssatz muss man sich dann mal gänzlich auf der Zunge zergehen lassen:

Um das berechtigte öffentliche Bedürfnis zu befriedigen, an der Kultur- und Wissensgesellschaft teilzuhaben, muss der Staat ein politisches Zeichen setzen und mehr Geld in die Wissensbereitstellung und -aufbereitung investieren. [Quelle]

Irgendwo muss das Geld ja herkommen. Der Staat soll dies machen, der Staat soll jenes machen. Am besten soll der Staat doch alles machen, aber nur nichts vorschreiben. Die Verfasser ängstigen sich vor einem “Zwang” zu Open Access. Aber doch nur zu Schein, gell? Wenn das Geld in der Kasse stimmt, dann ist alles in Butter, siehe Zitat oben.

Wie kommt es eigentlich, dass sich alles nur um das Geld dreht und um die Notwendigkeit des staatlichen Eingriffs. So als ob nichts davon zusammen gehört. Da das Geld, da die “Kreativität”, da das Kopiergerät, da der Staat, da der Bürger oder “Nutzer” – alles wunderbar auseinandergedröselt. Nur stimmt das nicht – wenigstens nicht in dieser Eindimensionalität.

PS: Zum Problem wird vor allem das Engagement Strassers für den P.E.N.. Dieser Verein hat seine Meriten und geradezu sozial engagiert: Schriftsteller im Gefängnis, Zensur. Auch gehören dem P.E.N. Deutschland zahlreiche bekannte und zu beachtende Schriftsteller und Autoren an wie Alexander Kluge, Ruth Klüger, Matthias Greffrath, Wolf Lepenies, Friedrich Schorlemmer, Hildegard Hamm-Brücher (…) an. So recht kann man sich nicht vorstellen, dass der Präsident Strasser diese Mahnung mehr im Alleingang unterzeichnet hat. Vielleicht muss man die aufgeführten Autoren aber auch nur einmal in Kenntnis setzen.

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