19. Mai 2024 Die Masse lebt

Foto im Raum

Thorsten Konigorski hat mich eingeladen, ein Stöckchen aufzuheben, welches Ralph Segert geworfen hat und nach einem Foto im Raum und seiner Geschichte fragt. Das ist eine überaus interessant Fragestellung. Foto im Raum?

Seit langer Zeit hängen bei mir Fotos in allen Größen und Rahmen im Raum an der Wand. In Flur, Schlaf- und Arbeitszimmer und in der Küche auch. Allein das Bad ist davon frei – hat ja auch einen Spiegel.

Interessant ist die Frage zudem, weil sich bei der Ausstattung dieser Bilder nur selten etwas ändert. Diesen Fotos eignet die Fähigkeit des Beharrens, könnte man sagen. Vielleicht gilt das aber insgesamt für Dinge, die man sich an die Wand nagelt. Teller von Urlaubsreisen waren da auch mal sehr beliebt, das berühmte Hirschgeweih hing noch überm Sofa und nicht überm Steißbein. Irgendwann merkt man es vielleicht auch an der hellen, schnuffeligen Schicht oberhalb des Rahmens. Genug dazu, obwohl das wenigstens für mich eine ganz interessant Sache ist. (Oder da denke ich, wegen Rahmen- und PlatzfürdenRahmenanderWand-Mangels an die Schichten von Kunstdrucken – von Kandinsky bis Matisse, von Albers bis Vasarely.)

Hier mein Foto, das aber mittlerweile doch abgehängt wurde, weil es mal gescannt werden musste.

Trabbi unter den Linden

Entstanden ist es um 1993 als ich das erste Mal in Berlin wohnte. Das ist „Unter den Linden”, nahe dem Pariser Platz. Mir fiel dieser Trabbi auf mit den ganzen Rohren – und sofort sah ich darin eine Metapher für die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Umweltschutzes mittels Umrüstung der Trabbis durch Kats. Sozusagen eine Dialektik der Verschlimmbesserung. Dass das Auto rechts dann ein Kennzeichen mit B-ND anfangend hatte, passte auch.

An jenem Tag besuchten mich einmal meine Eltern und wir gingen eben durch Berlin so durch. Ich mit meiner Canon AE-1, die man Vater mir einmal übergab. Das war der erste und einzige Besuch in Berlin.

Später erst fielen mir neben dem Trabbi andere Dinge im Foto auf. Mal abgesehen davon, dass meine Affinität zu Autos an sich, nicht groß ist. Es waren da die Ablaufgitter, die in der Linie lagen, gleich alle und trotzdem jedes individuell. Ebenso wie dieses sich ins Bild bequemende Hinterrad eines Fahrrades. So eine Schmuddelei irgendwie, mir aber sehr sympathisch, wenn man solche Gefühle solchen Gegenständen gegenüber haben darf. Variationen im Gleichen.

Gitter

Ebenso die Zeichen mit „eingeschränktem Halteverbot”1Das führte zu der wahnwitzigen Idee, einmal eine Sammlung mit Fotos zu machen, auf denen ein Halteverbotsschild abgebildet sein musste. und dem Eiswagen hinten. Sommer war vorbei eigentlich, aber aus irgendeinem Grund musste jemand tatsächlich Eis kaufen dort. Auch die Exit-Zeichen hatten es irgendwie in sich. Wie hieß noch die große aber relativ unbekannte Platte Jarretts mit den ersten Aufnahmen mit Charlie Haden und Paul Motian: „Live Between The Exit Signs.”

Irgendwie finde ich das Foto darum gerne jederzeit wieder interessant und ansehbar. Vor allem aber die Abflussabdeckungen – wie nennt man die eigentlich fachmännisch?

PS: Als alter Stockwerfer, werfe ich sowas natürlich an immer wieder ähnliche Menschen. Wie den Buster!, wie den Redunzl und wie den Janko.

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Fussnoten:

  • 1
    Das führte zu der wahnwitzigen Idee, einmal eine Sammlung mit Fotos zu machen, auf denen ein Halteverbotsschild abgebildet sein musste.

5 Kommentare

  1. Die Verschlimmbesserung des Ablaufens

    Eine Betrachtung! Bedeutungsschwangere Ablaufgitter. Das führt mich zu der Frage warum – apropos Spampers – Dein Trackback vom Herrn Akismet für Dosenfeleisch gehalten wurde. Aber das ist unwichtig. Danke für Deinen Beitrag.

  2. Irgendwie hat mir das ja

    Irgendwie hat mir das ja auch Spaß gemacht, mal ein bisschen anders zu grübeln. Ich habe ich richtig über dieses Stöckchen gefreut.

    Und das mit dem Dosenfleisch. Keine Ahnung. Die Spampers-Scanner sind alle auch nicht so das Wahre.

  3. Tolles Foto für diese

    Tolles Foto für diese Stöckchen-Aktion und interessante Geschichte bzw. Gedanken dazu! Spannend finde ich, wie auch die nicht beabsichtigten Dinge auf dem Foto alle an ihren Platz fallen und zusammen einen tieferen Sinn ergeben – ganz so wie im Leben!

  4. Danke für die freundliche

    Danke für die freundliche Würdigung. Mir hat es wirklich richtig Vergnügen gemacht, mich mit der Fragestellung von Ralph Segert auseinanderzusetzen. Ein schönes Stöckchen, wie man ja auch bei euch beiden sieht.

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