9. Mai 2024 Die Masse lebt

Potentiale von Technik bei Adorno: „Nicht die Technik ist das Verhängnis“

Eigentlich bin ich immer davon ausgegangen, dass Adorno ziemlich große Probleme hatte mit der gesellschaftlichen Einschätzung von “Technik”, die verknüpft ist mit den Begriff des Fortschritts. Gewiss hätte man auch wissen müssen, dass dies nicht so unbedingt der Fall ist. Klar, die Linie zog Adorno von der Steinschleuder zur Atombombe. Aber er zog auch eine von Bach zur musique informelle. Letztere blieb eine Vorstellung, die nie real wurde. Aspekte aber zeigten sich. 

Neulich habe ich beim Kassetten abhören wieder in der Vortrag Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft? hineingehört. Darin ließ mich die folgende Passage doch aufhorchen.

„Nicht die Technik ist das Verhängnis, sondern ihre Verfilzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, von denen sie umklammert wird. Erinnert sei nur daran, daß die Rücksicht auf das Profit- und Herrschaftsinteresse die technische Entwicklung kanalisierte: sie stimmt einstweilen fatal mit Kontrollbedürfnissen zusammen. Nicht umsonst ist die Erfindung von Zerstörungsmitteln zum Prototyp der neuen Qualität von Technik geworden. Demgegenüber verkümmerten diejenigen ihrer Potentiale, die von Herrschaft, Zentralismus, Gewalt gegen die Natur sich entfernen und die es wohl auch gestatten würden, viel von dem zu heilen, was wörtlich und bildlich von der Technik beschädigt ist.“ [Band 8: Soziologische Schriften I: Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5363(vgl. GS 8, S. 362-363)http://www.digitale-bibliothek.de/band97.htm ]

“Nicht die Technik ist das Verhängnis”, Technik ist aber eben nicht rein. Sie wird in der Verfilzung beschädigt, wiewohl in ihr Potentiale wären (die verkümmern), sich selbst von diesen Beschädigungen zu heilen. Da ist natürlich diese Logik der negativen Dialektik drin, die so janusköpfig auftritt. Die Absurdität ist heute leider noch besser fassbar. Gesteht man ein, dass die “Meinungs- und Bewusstseinsindustrie” alten Schlages, wie Adorno sie noch kannte, heute nicht mehr diese Macht und Gewalt allein durchssetzen kann, dass es vielmehr wachsende Nebenlinien gibt, so zeigen die aktuellen Entwicklungen, dass man diese Nebenlinien doch politisch wieder in den Griff bekommen will. Meinetwegen lag darin die Chance von Facebook und Twitter. Aber Twitter und Facebook sind nie in den Besitz derer übergegangen, die diese Institutionen bilden. Sie sind plump gesagt, nicht Volkes eigen (anders als bei der Wikipedia übrigens). Weil sie das aber nicht sind, sind sie leicht angreifbar, leicht manipulierbar, leicht kontrollierbar. Die Anarchie, die sich darin in jeder Richtung ausbreiten kann, ist eine auf Zeit.

Aber solange diese noch ist, sollte man wohl einfach das Beste draus machen. 

 

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Ein Kommentar

  1. Passt wie die Faust aufs Auge

    Passt wie die Faust aufs Auge zur derzeit entbrannten Diskussion über das Urheberrecht. Danke für den Beitrag! 🙂

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