19. Mai 2024 Die Masse lebt

Klingendes „Nichts“ und ein Fragezeichen

Er war einmal, so beginnen alle Märchen, sagt das Märchen. Es war einmal eine Zeit, da gab es im Fernsehen und im Radio so etwas wie “Nichts”. Wenn “Nichts” war, war Sendepause. Wenn Sendepause war, musste an und zu das “Nichts” gekennzeichnet werden. Durch Sendezeichen beispielsweise. Auf YouTube hat jemand diese Pausenzeichen der ARD hintereinandergeschnitten. Wie interessant das bitte doch klang. Ganz im Zeichen der Revolution durch Elektronen, integrierte Schaltkreise, Magnettonbänder und dergleichen mehr.

Da gab es zwar auch schon (oder noch) ordentlich viele Orchester, aber ganz dem bildlichen Spirographenringen, die um Buchstaben kreisten, klang vieles doch sehr eigen. Insbesondere der Hessische Rundfunk tat sich mit einem Pausenzeichen substantiell hervor. Hier kann man es hören.

Es war von so besonderer Güte, dass Dieter Schnebel dieses Zeichen in seinen Hörstücken 1 ausgiebig nutzte – und tatsächlich auch dort ziemlich unbearbeitet in dieser Funktion. Was aber vollkommen hinten über gefallen sein dürfte ist:

Wer hat das Pausenzeichen komponiert und realisiert?

Ich möchte fast einen Wettbewerb ausrufen. Denn ich glaube ich weiß es. Jedenfalls behauptete mein Musiklehrer, der ein halbes Jahr lang in der elften oder zehnten Klasse den Unterricht gemacht hatte, er sei es gewesen. Er war ein eigentlich nur Leihlehrer aus Kreuzheide, der da an die Gesamtschule in Wolfsburg Süden fahren musste.

Er hatte auch mal einen Synthesizer mitgebracht. Das Teil, auf dem man U-Boot-Jagd spielen konnte – also mit der Matrix drin. Eine Tastatur hatte er auch angeschlossen, nicht, ohne zu betonen, dass eine Tastatur das Instrument sehr in seinen Fähigkeiten einschränken würde.

Ein paar Monate später besuchte ich seinen Kurs an der Volkshochschule zum Thema Computermusik, der so 1981 bis 1983 gelaufen sein musste. Dort hatte er den Apple II im Einsatz und ließ meines Erachtens in Basic programmierte Schleifen laufen. Für Kunstprodukte im bildenden Bereich hatte er auch einen Videosynthesizer mit dem er Auftritte von Personen aus der Politik bearbeitete.

Ich fand das damals alles ziemlich faszinierend und wollte unbedingt auch so einen Computer haben. Mit Diskettenlaufwerk. Eigentlich war er ausgebildetet Oboist mit Wurzeln aus Frankfurt am Main. Was ihn nach Wolfsburg verschlagen hat, kann ich gar nicht sagen. Jedenfalls fehlte ihm wegen Unfall oder Erkrankung ein Arm und er konnte daher als Oboist nicht mehr spielen.

Einmal noch gab es einen Streit in der Wolfsburger Neue-Musik-Szene an den ich mich grob erinnere, wenngleich nicht an den Inhalt. Er hatte in Sachen “Arbeitskreis Neue Musik” in Wolfsburg Kritik geübt, die zurückgewiesen wurden. In einem Leserbrief habe ich mich dann als 18-jähriger für ihn stark gemacht und wurde dafür gerüffelt, ich solle mich nicht in Sachen einmischen, von denen ich keine Ahnung hätte (leider bis heute eine problematische Fähigkeit geblieben).

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