Ich habe immer von der Dritte-Sohn- und Fünftes-Kind-Regel profitieren können. Ich musste nicht Messdienern, ich musste nicht zum Bund, durfte promovieren, musste nicht Lehrer oder sonst was sozial Anerkanntes werden. Einziger Raucher, einziger Kirchenaustritt, einziger offiziell und höchstrichterlich anerkannter Kriegsdienstverweigerer.

Jetzt schlägt das Schicksal zurück: Einer von uns aus der Familie muss in die FDP, alle anderen halbwegs ernstzunehmenden Parteien sind ja leider von meinen Geschwistern besetzt. Also seit heute dann eben FDP. Mal sehen, was meine Erfahrungen aus der Musik-Guerilla so hergeben. Im Stuss-Erzählen bin ich ja auch ganz groß. Also auf gehts, vielleicht kann ich ja mit meinen Geschwistern noch mal dealen und wir tauschen dann eben.
Denn Mobben konnte ich auch immer ganz gut: „Mama! Die/der Dings hat mich geärgert …“ Oder wie ich mal Bergs Violinkonzert im Fernsehen sehen wollte, die Geschwister aber irgendeinen anderen Fernsehkram … sie würden mich um meine nötige Bildung bringen, weil ich ja Professor für große Kunst werden wollte, eben was ganz besonderes. Bin dann schmollend, motzend und halbheulend abgedüst, um denen ein schlechtes Gewissen zu machen. Und die, gemein wie sie sind, kamen dann hinterher und wollten mir zuliebe verzichten. Booah, wie fies auch. Das wieder. Allein gegen vier Bergs Violinkonzert im ZDF unter deren Anwesenheit.
Neenee, die FDP habe ich mir sauer verdient.
„Wo der Markt seiner Eigengesetzlichkeit überlassen ist, kennt er nur Ansehen der Sache, kein Ansehen der Person, keine Brüderlichkeits- und Pietätspflichten, keine der urwüchsigen, von den persönlichen Gemeinschaften getragenen menschlichen Beziehungen“ schrieb Max Weber Anfang des 20. Jahrhunderts.
Weiter mit Nettesheim: „Zu der Musik gehört auch das Springen und die Kunst zu tanzen, welches sonderlich den jungen Mägdlein und Liebhabern angenehm ist und von ihnen mit sonderbarem Fleiss gelernet, und oft mehr als die halbe Nacht ohne Ersättigung zugebracht, auch mit solchem Fleiss in acht genommen wird, dass sie nach der Leier, Trommel oder Pfeife mit ganz sonderlichen Kräften und. Gebärden rumspringen, und nichts als närrische, auch der Unsinnigkeit nicht ungleiche Possen mit eingebildeter Klugheit verrichten; und wenn diesen nicht der Klang der Pfeife das rechte Mass gäbe, auch wie man saget, eine Eitelkeit der andern hülfe, so wäre ja auf der Welt nichts Lächerlichers und Ungereimters als das Springen. Es ist eine Ergötzlichkeit der Faulheit, ein Gehilfe aller Laster, eine Anreizung der Wollust, ein Feind der Keuschheit und in Summa eine Sache nicht lobenswert.“
[Agrippa von Nettesheim: Ungewißheit und Eitelkeit aller Künste und Wissenschaften. DB Sonderband: 100 Werke der Philosophie, S. 135 (vgl. Agrippa-Eitelk. Bd. 1, S. 86) ]
„Die Könige der Perser und Meder haben die Musicos unter die Schmarutzer und Gaukler gezählet, und haben von ihren Werken sich zwar Lust erwecket, alleine sie selbst sind von ihnen verachtet gewesen. […] Wenn sie rechtschaffen singen sollen, so quieken die Knaben den Diskant, teils brüllen den Tenor, teils bellen wider den Takt, teils mauen wie ein Ochse den Alt, teils knirschen mit den Zähnen den Bass und machen, dass zwar ein gross Geschrei und Getöne gehört wird, aber von dem Text verstehet niemand nichts, also wird zugleich den Ohren und dem menschlichen Nachsinnen ihre natürliche Art benommen.“
[Agrippa von Nettesheim: Ungewißheit und Eitelkeit aller Künste und Wissenschaften. DB Sonderband: 100 Werke der Philosophie, S. 130 und 134 (vgl. Agrippa-Eitelk. Bd. 1, S. 83, 85) ]

Jetzt denke ich noch nach, ich brauche doch noch einen April-Scherz.
Heute Nacht gealbträumt.
Verführbarkeiten allenthalben. Distanziertbleiben gilt aber mittlerweile wieder als Feigheit. Skepsis ist angebracht. Akute Probleme allein bedürfen einer radikal schnellen Lösung.