29. April 2024 Die Masse lebt

Gernot Romann für mehr Auswahl im Rundfunk

“Wir nehmen die Wünsche der Hörer ernst und die waren eindeutig: Sie wollen mehr Auswahl”, so NDR Programmdirektor Gernot Romann. Und man kann es nachlesen online bei satzundkabel. Er meinte damit NDR2. Statt der aktuellen Hits spiele man dann eben noch die Hits der 80er und 90er Jahre. Kommt einem das nicht etwas bekannt vor? Privatsender, die genau so werben? Das also darf man dann unter Auswahl verstehen. Ich kann zwischen mindestens zwei Sendern wählen, die im Wesentlichen das Gleiche spielen. Wir wollen auf Parallelen zur Politik verzichten, zur deutschen wie zur amerikanischen.

Man unterscheidet sich aber auch gewaltig von den Privatfunkern: “Es ging uns nicht darum, mehr Musik aus diesen Dekaden zu spielen”, so NDR 2 Chef Torsten Engel, “aber, im Gegensatz zu anderen, nicht jeden Tag die gleichen Titel”, heißt es dort weiter. Auch das ist nachgerade sensationell. Wie freundlich auch und lieb gemeint. Hört, hört — oder besser hört weg.

Es ist ja nicht so, dass es etwa wenig Musik gäbe. Der Ausstoß der Plattenfirmen ist beträchtlich und sehr viele Perlen und Glanzstücke finden sich darunter. Aber, wer will die denn hören? Die kennt doch keiner. Und was der Bauer nicht kennt, das isst er eben auch nicht. Wie logisch, wie praktisch, wie schön. Überlassen wir die Programmgestaltung einfach der Werbewirtschaft. Die weiß, was wir hören wollen, sonst würde sie’s ja auch nicht bewerben. Das muss also gut und richtig sein.

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10 Kommentare

  1. …habe mir erlaubt, Ihren

    …habe mir erlaubt, Ihren vorzüglichen Kommentar an Herrn Romann samt Link weiterzuleiten. Unfassbar, mit welchem Zynismus diese öffentlich-rechtlichen Kultur-Schredder-Bonzen versehen mit dem Horizont einer Primzahlen-Tabelle Literatur klittern. Widerlich.

    Ihr Geißler

  2. Ich hasse es, wenn ich in

    Ich hasse es, wenn ich in diesen “Früher-war-alles-besser”-Modus verfalle. Aber ich musste eben sehr an die Zeiten denken, als ich nachts auf meinem Mädchenzimmer Bayern 3 hörte, weil da so viele interessante, neue Musik kam, durchwegs Pop im besten Sinn. Die Moderatoren hatten Ahnung, sagten auch immer etwas zum Hintergrund. Und wenn sie gerade aus dem Urlaub zurückkamen, hatten sie Pop aus dem Urlaubsland dabei und spielten den vor.
    Gehöre ich den wirklich zu einer verschwindenden Minderheit, wenn ich das vermisse?

  3. Kaltmamsell! Ja und nein.

    Kaltmamsell! Ja und nein. Ja: Sicher, irgendwann werden auch wir einmal verschwinden. Nein: Man verdrängt uns einfach. Was es nicht geben darf, das gibt es dann einfach auch nicht. Das ist ein großer Bluff, der da praktiziert und in Gang gebracht wird. Und zwar von welchen, die sowohl aus der Generation vor uns stammen wie auch immer mehr aus unserer. Das ist zwar nur ein Verdacht und kann von mir auch nicht empirisch nachgewiesen werden, aber ich fürchte, es handelt sich um Menschen, die nicht älter werden wollen und daher zwanghaft glauben, sie müssten, um jung sein zu wollen, sich dümmer stellen als sie sind.

    Das ist eine eigentümliche Dialektik, möchte ich sagen. Die fühlen auch diesen “Früher-war-alles-besser”-Modus, nur ziehen sie eine ganz andere Konsequenz. Auf diese Weise wird der genannte Modus dann tatsächlich fatal. Die, die diese neuen Programme durchsetzen kommen aus der Lebenszeit der sogenannten 68er (von welcher Seite auch immer).

  4. hmmmm. Auch wenn meine

    hmmmm. Auch wenn meine schönsten Radioerfahrungen der Nacht-Club von NDR2 waren (Van Morrisen habe ich da kennen gelernt mit “Common One”, afrikanische Pop-Musik, die Pretenders – ok, daran merkt man, dass es immer noch recht dicht am Mainstream war), will ich doch eine Lanze für den Dudelfunk brechen, alter Privatfunk-Macher, der ich bin: Radio ist nun mal in erster Linie ein Nebenbei-Medium. und insofern wäre es schon ok, wenn Entdeckungsreisen eher zu Zeiten stattfinden, wenn man Radio leise unter der Bettdecke hört, damit die Eltern nicht wieder angerannt kommen… Und dass das nicht im Rahmen einer Pop-Welle sein kann, leuchtet doch sogar ein (guckt euch mal, gerade ihr in Bayern, die absurden Wellen-Teilungen an mit Bürgerfunk oder so am Abends. Nutzt keinem). Leider wurden in den letzten zehn Jahren ambitionierte Musikprojekte im Radio sooo schlimm gemacht (offener Kanal, in hamburg auch gerne mal: FSK. Brrrrrrrrrr.), dass da auch die Freaks wahnsinnig viel Erde verbrannt haben.
    btw: Auch auf den Popwellen läuft nachts immer mal wieder neue und ungewöhnlichere Musik, zum antesten. Aber leider ganz unkommentiert.

  5. Lieber Haltungsturner, das

    Lieber Haltungsturner, das sehe ich anders. Was der Privatfunk macht, das ist mir egal. Die arbeiten unter ihren selbstgewählten Bedingungen und bezahlen sich ja auch selbst. Aber was den öffentlichrechtlichen Funk angeht, geht das nicht an. Die haben einen Bildungs- und Kulturauftrag und eine öffentliche Finanzierung, um den Privatfunkern ins Werk zu pfuschen, das ist schlicht Wettbewerbsverzerrung.

    Was du über die nichtkommerziellen privaten Funker sagst, dass sie “viel Erde verbrannt haben”, das gebe ich dir zu. In Regensburg gibt es sie nicht, aber zumindest in Nürnberg. Das Programm dort sieht gar nicht mal so schlecht aus. Und das FSK Hamburg wird immerhin zum Hamburger Musikfest aktiv. Die senden in der Nacht vom 10. zum 11. September einige Hörspiele von Heiner Goebbels am Stück und ab 8 Uhr zu Frühstück haben die eine Leitung gelegt nach Halberstadt zum längsten und langsamsten Werk der Welt: Organ2/ASLSP. So etwas ist mit dem NDR nicht zu machen. http://www.nmz.de/nmz/2004/

  6. Einerseits, Huf, hast du

    Einerseits, Huf, hast du Recht, klar: Auftrag, Finanzierung und so weiter. Aber andererseits war bis in die 80er außerhalb des Club und des Nacht-Club beispielsweise NDR2 nicht zu ertragen. Die haben noch Mitte der 80er (so meine ich mich zu erinnern) Sonntags nachmittags eine deutsche Hitparade gespielt.
    Heute ist es der Sender, der im Norden am “hörbarsten” ist – gerade auch, weil er maßvoll mit Informationen umgeht und sie dosiert unter die Hörer bringt. Faktisch ist auch der öff.-recht. Dudelfunk keine Konkurrenz zum Privatfunk, weil die Qualität (auch die der Comedy) gar zu unterschiedlich ist.
    Um es mal drastisch zu sagen: Auch ich mit meinen Höransprüchen zahle Gebühren. OK, das klingt gewaltig nach den “Offiziellen”, die ja auch so argumentieren. Aber dass die ARD-Sender neben ihren Minderheitenprogrammen (die sie dann aber auch richtig machen sollen, da gebe ich dir und der Initiative Das Ganze Werk Recht) auch ein durchhörbares Mainstream-Nebenbeiprogramm machen, finde ich wichtig und richtig. Wie soll ich sonst trotz Dudelliebhaberei sicher sein, dass ich erfahre, _falls_ was wichtiges passiert (die Privaten haben massenhaft die Nachrichtenagenturen abbestellt und bekommen neue Nachrichten gar nicht mehr mit).

  7. An die deutsche Hitparade

    An die deutsche Hitparade kann ich mich auch erinnern. Für ihr Durchhörprogramm sollen sie dann eben eine andere Welle opfern, nicht gerade die letzte, die längere Beiträge zulassen würde. Ich könnte mit meinen drei Rundfunkfeatures im NDR nie landen und selbst der liebe Redakteur des BR, der mir das durchgehen ließ sagte: Man muss auch mal was Anspruchsvolles senden dürfen. Und immerhin gab es zu letzten Sendung Manuskriptanforderungen, obwohl das Manuskript wird erst schön, durch seine radiophone Bearbeitung. Manuskript gefällig: http://www.kritische-musik….

    Das mit dem Wichtigen, das man erfahren möchte, ist Fiktion. Es gibt nichts wichtiges. Als die Tower in New York zusammenstürzten (ist das wichtig?), schipperte ich mit Freunden auf dem Canal du Midi und wir haben bis zum nächsten Tag gar nichts erfahren. Heute bin ich sogar sehr dankbar dafür.

    Man sagt sogar doch, es geht nicht um stationären Hörfunk, die komprimieren ihre Programme für Autofahrer und da möchten sie die neuesten Staus und Blitzer wissen.

    Wovor ich doch mehr Furcht habe, ist, dass man die Hörer daran gewöhnt unterfordert zu werden; wie man sie auch an Fast-Food gewöhnen kann. Wozu denn ein Essen noch schmecken und zerkauen. Hauptsache: Energie!

  8. Siehst du: Ich esse ja auch

    Siehst du: Ich esse ja auch beides. Mal Fastfood, mal Sterne, mal (viel zu selten) aufwändig selbst gekocht. Um nicht ganz aneinander vorbei zu reden: Ich teile voll und ganz deine Haltung zu NDR Kultur. Höre ich auch nicht. Lege ich lieber eine CD ein. Ein ganzes Werk dann. 🙂
    Aber lass mich in Ruhe mit Quoten oder so was für die Popwelle. Nur die soll durchhörbar sein, finde ich. Aber da bin ich auch nicht so empfindlich. Mich stört auch nicht an sich diese seichte Popsch**, die zurzeit durch den Lautsprecher schwappt. Außer das hier: http://luebue.blogspot.com/

  9. Sterne hatte ich noch nie,

    Sterne hatte ich noch nie, außer einmal, aber ohne Essen. 😯 Gar nicht lustig, gell? Blöderweise habe ich das Essensbeispiel eingeführt, erinnere aber daran, dass es noch Menschen gibt, die zwar Tiefkühlkost zur Not zu sich nehmen, die aber noch verfeinern mit richtigen Zutaten.

    Mir wäre das mit der Popmusik auch egal, die höre ich nicht, nicht die, die gesendet wird jedenfalls (nur im Fernsehen). Aber warum soll ich denn da leiden, ich würde ja einschalten, wenn sich da jemand die Mühe machte. Im Bayerischen Rundfunk gibts den Zündfunk, der ab und an was bringt, im Notfall wartet man auf den nächsten Textbeitrag.

    Was ich doch nicht abkann, ist der festgeklopfte Musikschit. Der HR hatte in den 80ern die Avantgardrobe – da war fast immer alles ausgezeichnet. Ich kann auch die enge Stirn nicht aushalten, wenn im der elektronischen De:Bug die Elektro-Heinis gegen die Gitarren-Derwische motzen. Was haben die alle nur? Die fühlen sich ja gleich alle persönlich beleidigt, gerade wenn’s um Musik geht.

    Klar, man kann, wenn die Parallele erlaubt ist, eben die CDU- und SPD-Musik den ganzen Tag über dudeln. Das macht aber die Menschen in der Musik wie in der Politik müde. Und es perpetuiert den Zustand leider.

    Das gleiche Missverständnis passiert, wenn man Demokratie als Herrschaft der Mehrheit begreift. Das ist Demokratie nämlich nicht. Demokratie ist Schutz der Minderheit, nicht deren Abfertigung. Aber, ich weiß, das führt jetzt zu weit.

  10. Was ich doch nicht abkann,
    Was ich doch nicht abkann, ist der festgeklopfte Musikschit. Der HR hatte in den 80ern die Avantgardrobe – da war fast immer alles ausgezeichnet. Ich kann auch die enge Stirn nicht aushalten, wenn im der elektronischen De:Bug die Elektro-Heinis gegen die Gitarren-Derwische motzen. Was haben die alle nur? Die fühlen sich ja gleich alle persönlich beleidigt, gerade wenn’s um Musik geht.

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