19. Mai 2024 Die Masse lebt

Hackfleisch im Knochenmantel

Hund an der Donau

Hund an der Donau

Gehört zu meiner Lieblingslektüre, die Sonntagsausgabe des Blitz aktuell. Das ist so ein Werbeblättchen im Zeitungsformat, welches nur wieder deutlich macht, wie es um Regensburg und die Regensburger steht. Zu diesem Zwecke werden selbstverständlich die Polizeiakten der letzten Woche durchgeschaut und auf der Titelseite fett gefeatured. Nacktigte Mädels sieht man weniger außer auf Seite 20. Da ist aber nur so eine allgemeine Frau ausm Fernsehen drauf unter der Titelzeile FKK-Muffel, was mich rat- und sprachlos lässt: Na und? Ferner erfährt man, heißa, dass gestern sogar Welthundetag gewesen war. „Da lasse ich’s krachen.“ Na du Ich, dann krache mal am Welthundetag. „heut’ wird gefeiert. Und zwar von morgens bis in die Nacht hinein. Wasser ist schon kalt gestellt — und tolle Häppchen gibt’s auch. Hackfleisch im Knochenmantel, geschnetzeltes Rinderherz auf Pansen, Wurst am Spieß … Also, von mir aus könnte an jedem Tag Hundetag sein!“ schreibt offenbar der Redaktionshund. Schlaues Kerlchen, wauwau, oder wouwou, wuffwuff.

Ein Hundetag, das war es, was mir fehlte. Doch zurück zu den Schlagzeilen, die eine ganz eigne Prosaform sind. Vor Urzeiten haben einmal mein Freund Christoph B. und ich jeweils drei sogenannte Gießener Wetterfrösche vertont, kleine Gedichte begabter Gießener Meteorologen. Welche wie:

Frösche frustet es, weil Frost fliegs flugs von fern.
Schnee schwallt schwer und schneit, das hab ich gern.

So in der Art. Aber damit schon wieder das Thema verfehlt. Die Schlagzeilen und Kurzberichte von der Polizei sind wahre Sprachkunstwerke auch in Regensburg.

Durchgeknallt
Regensburg — Weil sie gezecht hatten, rammte die eine auf dem gemeinsamen Heimweg mit ihrem Radl einen Pkw, die andere beschimpfte die herbeigerufene Polizei: Blutentnahme.

Wie hier Ursachen mit Folgen, die Zeiten ebenso sowohl in Identität gebracht und aufgehoben werden, das ist einfach Kunst, zudem noch sprachlich fein ziseliert und ineinander verkämmt. Weil sie gezecht hatten: Blutentnahme. Das war wohl der Kern der Story. Denn bei aller moralisch-ethischen Wertung, warum soll der Polizei Blut entnommen werden, die Geschichte endet nämlich gar nicht so konsequenzlogisch wie man annehmen könnte, sondern mit einer offenen Blutentnahme. Die Geschichte verliert eindeutig, wenn man sie erklärt — und meine Herrschaften, das eben ist doch Zeichen aller großen Kunst, ihr Rätselcharakter, ihre Unabgeschlossenheit.

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3 Kommentare

  1. Moment, moment; die andere

    Moment, moment; die andere hatte doch die Polizei mit „Blutentnahme“ beschimpft (offenbar ziemlich alkoholisiert), während die eine den PKW mit dem Rad – äh, so war das doch? Rätselhafte Vorgänge nachts auf Regensburger Straßen …

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