20. Mai 2024 Die Masse lebt

Der frohe Tote

Es gehört einfach zu meinen Lieblingsgedichten, auch und gerade weil ich es nicht ganz nachvollziehen kann. Der frohe Tote von Baudelaire, hier in einer Übersetzung von Stefan George. Ich weiß gar nicht, wie viele Übersetzungen ins Deutsche es davon gibt. Bekannt und angeschaut habe ich nur die von Stefan George und von Carlo Schmidt. Auszüge hat auch der Walter Benjamin gemacht.

Dass jemand zu den Schnecken, Würmern und zu den Raben sich sehnt. Alles Menschlich-tümelnde ausschlägt, sogar noch im Tod dan die ohren- und augenlosen vorzieht, also das auch, von dem man die menschliche Sinnlichkeit trennt, da muss man schon sehr froh sein. Würmer, die durch einen durchdringen sorgenlos. Eine Vorstellung, die doch bei den meisten wohl — zumindest lebendig — Unbehagen hervorruft. Der Adler, der dem Prometheus an seiner Leber fraß, kein schönes Bild.

Hier ist es anders und es ist auch nicht Prometheus.

LXXIV

DER FROHE TOTE

In einer fetten erde voll von schnecken
Da richt ich eine tiefe grube her ·
Da will ich frei die alten glieder recken ·
Vergessen schlafen wie ein hai im meer.

Ich will nicht testament noch grab und stein ·
Ich will von menschen keine träne heischen.
Ich lade lieber mir die raben ein
Dass sie den ganzen morschen leib zerfleischen.

Ihr würmer! augen · ohrenlos gekreuch!
Ein freier froher toter kommt zu euch!
Ihr heitre Weise · aufgenährt im kot!

Durch meine reste dringet ohne sorgen
Und sagt: blieb eine qual mir noch verborgen
Mir ohne seele unter toten tot?

Stefan George: Baudelaire. Die Blumen des Bösen.

Aber die Frage am Ende, die verstehe ich nicht, weder inhaltlich noch logisch. Welche Qual ist denn hier gemeint, ohne Seele unter Toten tot?

 

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3 Kommentare

  1. Na, das erheitert mich doch

    Na, das erheitert mich doch gleich sehr.

    Übrigens in einer anderen Übesetzung lauten die Verse:

    *Und sagt, ob diesem Leib, seellos und tot
    Bei Toten, noch etwas wie Marter droht!*

    Könntest richtig liegen Semmel, habe ich wirklich nicht kapiert. Bei der Netzrecherche nach dem Text fiel mir auch auf, dass diese Text als „düster“ klassifiziert wird und dann auch noch mit Selbstmord assoziert ist. Wäre mir alles nicht aufgefallen.

    Wie immer auch, ein schönes gutes gesundes und acuh glückliches Jahr mindestens, dir, Semmel – wenn ich das mal so öffentlich sagen darf.

    Äh und, äh warten wir mal die Pokaltip-Auswertung ab.

Kommentare sind geschlossen.