9. Mai 2024 Die Masse lebt

Musikvermittlung II

Jetzt habe ich doch wirklich lange überlegen müssen, was mich heute früh bei meiner Sitzung beschäftigt hatte. Die Reaktionen auf den ersten Artikel zur Musikvermittlung von Waldo de los Rios und die Frage, wie wird denn eigentlich Popmusik vermittelt und an wen? Und dabei fiel mir auf, dass es das „Vermitteln“ durch Genregrenzen hindurch tatsächlich gibt. Spontaner erster Gedanke: Cathy Berberian mit Ticket to ride. Beatles für ein (altes) Klassikpublikum? Arrangiert wurde es zudem von Louis Andriessen. Mag ich. Ist eigen. Aber ist es vermittelt. Wie sieht es mit dem Jazz aus, der Folk-Music.

Jazz ist ja eine lange Zeit auch vor allem Popmusik. Die Standards kommen aus verschiedenen Quellen, lösen sich in den Jazzarrangements aber auf in etwas neues eigenes. Und dann Jacques Loussier. Anders herum. Aber auch auf die eigene Art und Weise. Und Friedrich Gulda, auf den mich Viktor Rotthaler zurückwies. Klar. Es fließt von hier nach da, von da nach hier.

Oder Berios Folk-Songs. Die Noten zeigen den Weg hier auf. Es ist eine Transformation musikalischer Haltungen gefunden worden, die Original und Bearbeitung ihr eigenes Recht zukommen lässt. Und damit findet dann eine Zugangslücke ihren Platz. Vielleicht. Bei dem einen oder anderen. Berberians Ticket to Ride wird das nicht können. Aber will es vor allem auch nicht. Da entsteht eine neuer Notentext. Ein anderes Stück, das nicht auf etwas anderes verweisen will – wenn man das unterstellte, wäre man schön dumm. Oder gnadenlos naiv. Obwohl …

An sich ist Musikvermittlung zwischen den Horizontlinien der verschiedenen Publika sinnlos. Entweder man adaptiert die Dinge für sich und widmet sie um oder man lässt es bleiben. Denkt man in diesem Zusammenhang an Waldo de los Rios zurück, kann das Ergebnis nicht sein, dass Musik von der einen Szene auf eine andere übergesprungen ist, sondern der Nimbus, der damit verbunden ist. Also das Gefühl, von Klassik auch etwas mitzubekommen. Bei Berberian, das Gefühl, auch etwas von den Beatles mitzubekommen. Aber auch bei Bartok und Janacek, zumindest für nicht Osteuropäer, etwas von der klassischen Volksmusik dieser Länder zu kapieren.

Gerade letzteres ist doch lehrreich.

Und dagegen das:

Bei Janacek sieht es zum Beispiel so aus. Ein Stück aus der Folk Poetry in einer Version für Gesang und Streichquartett und dann als Jazz-Version. Jeweils mit der unvergleichlichen Iva Bittova.

 

Ich habe dieses Stück „nur“ in einer klassischen Version für Klavier und Gesang auf CD. Mit der üblichen Schwere ernster Musikdeklamation. Trotzdem passt es noch. Ist noch anhörbar.

Kurzum: Musikvermittlung ist eigentlich nicht möglich. Es werden bei sog. Musikvermittlung nur Metadaten von Musik vermittelt.

 

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