Es bleibt leider alles beim Alten. Obwohl, eher nein. Ich bekomme immer häufiger die Mitteilung, dass das gesellschaftliche Klima in Deutschland (aber nicht nur hier), sehr rau geworden ist und immer rauer wird. Ganze Bundesländer werden wegen der enormen Zuwachses an autoritärer Gesinnung mit Tatendrang zu No-Go-Areas. Aber es wächst langsam auch ein Widerstand, man formiert sich. Ein Problem: Die Zerrissenheit einer diversen Gesellschaft. Divers ist ja nicht doof. Divers kann aber auch zu einer Verhärtung gegeneinander führen und das Trennende überbetonen mit einem Hang zur Diskriminierung – auch von Diskriminierten untereinander. Da organisieren sich die gesellschaftlichen Gruppen nach Merkmalen äußerer und innerer Natur. Von der Religion bis zum Musikgeschmack, vom Alter zum Geschlecht. Das war immer schon ungesund und bleibt ungesund. (Siehe auch unten, Arno Lückers Kritik an der Okkupation von Themenfeldern durch Nischengruppen.) Es wirkt geradezu manchmal so, als würde man sich eine Verstetigung der Diskriminierungserfahrung wünschen, weil einem sonst ja das Thema des eigenen Lebens fehlte. Allerdings muss man da sehr vorsichtig sein: Das stimmt manchmal gerade auch nicht, wie die fortschreitende und andauernde Präsenz des Antisemitismus zeigt.
Dass andererseits eine Frage wie die Abschaffung kassenärztlicher Leistungen in Sachen Homöopathie es in die Nachrichten schafft, so als wäre dies ein Thema, das man diskutieren müsse, wirkt wie eine falsche Balance durch Setzung. Der Kommentar dazu in den Tagesthemen von Korinna Hennig war dagegen ein Meisterstück von einordnendem Journalismus. Es tut mir innerlich weh, wenn dies dann durch die Moderatorin als „Meinung“ deklariert wird. So als wäre sie eine von vielen möglichen Meinungen, die man eben haben kann.
Das Trennende als Vielfalt wahrzunehmen, nicht als Ab- und Ausgrenzung, darum darf es doch gehen. Der eine mag die Musik von Johannes Brahms leiden und das muss nicht heißen, dass er jemanden dafür hasst, dass dieser dann Alban Berg mag. Was nicht geht, ist, dass man Hass mag.
Und sonst so:
Michael Kube hat in der aktuellen HörBar Violinkonzerte im Blick und Ohr. Die letzte der fünf besprochenen Tonträger beinhaltet Violinkonzerte von Johannes Brahms und Alban Berg. Es spielen Christian Tetzlaff, das deutsche Symphonie-Orchester unter Robin Ticciati. Michael Kube sagt:
Ein größeres Lob ist fast nicht möglich.
Im Bad Blog Of Musick ärgert sich Arno Lücker über unfaire Kritik an seinem Buch „250 Komponistinnen“ geschrieben (erschienen am 1. November bei „Die Andere Bibliothek“ im Aufbau-Verlag). Wem gehört ein Thema? Wer darf da ein Thema für sich allein reklamieren und warum ist das falsch:
„‚Wir wollen im Grunde, dass das Komponistinnen-Thema eine Nische bleibt, denn diese Nische besetzen wir. Und deshalb machen wir uns [unter]bewusst klein!‘ (…) Es geht nicht um mehr ‚Gerechtigkeit‘ auf den Spielplänen. Es geht um mehr Vielfalt (!) auf den Spielplänen. Eine Komponistinnen-Quote im Konzert wäre grundfalsch. Falsch und traurig finde ich auch das Verhalten der besagten Kollegin. Und genau dieses ‚Nach mir die Sintflut‘-Verhalten, dieses ‚Ich bin im Grunde das Thema selbst!‘-Verständnis kenne ich sonst nur von Männern. Und genau dieses Denken – so dachte ich – wollten wir eigentlich langsam hinter uns gelassen haben.“
Jenny Mansch zitiert in ihrer Facebook-Präsenz den Bericht eines Mannes, der den Mob in Schlüttsiel aus nächster Nähe als unbeteiligter Gassigänger erlebt hat.
„… Ich habe nur einmal im Leben so viel Aggressivität und Hass erlebt, nämlich als wir beim Revierderby als BVB Gäste im Schalker Block (noch im alten Parkstadion) mit Steinen, Kacke und Flaschen beworfen wurden. Von Prügeleien, bespucken etc. mal ganz abgesehen. Was in Schlüttsiel zu sehen und zu hören war, das war der pure Hass, ein Mob von Menschen, die teilweise völlig außer Rand und Band waren und sich immer weiter aufgeschaukelt haben. …“
Was mich dabei am Rande noch interessieren würde: Wie sind diese Leute an die Information gekommen, dass sich auf dieser Fähre auch Robert Habeck und seine Familie befunden haben.