Es gibt bei der GEMA einen Verhaltenskodex für den Aufsichtsrat, der für mein Gefühl weit über das hinausgeht, was vom Grundgesetz Deutschlands gedeckt ist. Man liest dort unter dem Punkt Loyalität:
(2) Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind verpflichtet, die von der GEMA und ihren Gremien gefassten Beschlüsse nach außen loyal zu vertreten. Sie sind verpflichtet, gefasste Beschlüsse nicht zu konterkarieren und deren Umsetzung nicht zu stören oder zu behindern. Das gilt auch für nicht einstimmig gefasste Beschlüsse. (S. 4)
Sondervoten sind damit sowohl zwar nicht verboten, dürfen aber nicht verterten werden. Aber auch die Meinungsfreiheit, die das Grundgesetz für Deutschenland garantiert, scheint mir damit in unzulässiger Form eingeschränkt. Man müsste also auch wissentlich falsche Entscheidungen mittragen. Diesen Zwang kenne ich gerade nur von autoritären Organisationen. Nicht einmal Politiker:innen in Regierung oder Parteien sind darauf verpflichtet. Nicht einmal Entscheidungen der Gerichte bis zum obersten in Deutschland, dem Bundesverfassungsgericht, geben derlei vor. Wofür ist dann also ein Aufsichtsrat überhaupt da, wenn er nicht seine Aufgabe, Aufsicht auszuüben unter der Maßgabe von Mehrheitsbeschlüssen. Hier wäre eine Kontrolle des Aufsichtsrates der GEMA absolut nötig.
Es ist eine demokratische Unmöglichkeit, die damit festgeschrieben, wird, selbst und gerade wenn der Aufsichtsrat diese Regel für sich selbst bestimmt, die damit auch gar nicht mehr hinterfragbar und hintergehbar ist.
Mit diesem Verhaltenskodex setzen sich die Aufsichtsratsmitglieder selbst Regeln, mit denen sie die Werte ihres Handelns ausdrücken, sich zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und zu einem hohen Maß an Sorgfalt bekennen und den Umgang mit Interessenkonflikten regeln. (S. 3)
Die Frage ist, wer kann das sein? Das Deutsche Marken- und Patentamt? Die Senatsverwaltung für Justiz (Berlin-Schöneberg) als deren Aufsichtsbehörden?
Dieser Passus für den GEMA-Aufsichtsrat ist ein Unding für eine demokratische Institution.
Und umgekehrt ist, bleibt vieles im Aufsichtsrat im Dunkeln. Man list auf Seite 3 zwar:
Interessenkonflikte, aber auch schon jeder Anschein von Interessenkonflikten, sollten möglichst vermieden werden. Mit unvermeidlichen Interessenkonflikten ist transparent umzugehen. Soweit Interessenkonflikte die pflichtgemäße und sorgfältige Ausübung der Aufgaben als Mitglied des Aufsichtsrats beeinträchtigen, sind die Befugnisse als Organmitglied sachgerecht zu beschränken. Wenn eine andere Konfliktlösung nicht in Betracht kommt, ist das betroffene Mitglied gehalten, von seinem Amt zurückzutreten. (S. 3)
Dass es im Aufsichtsrat der GEMA natürlicherweise zu Interessenkonflikten kommt, scheint mir unvermeidbar, denn bei deren Vertretern handelt es sich auch um Personen, die finanziell an Änderungen von Ausschüttungsregeln partizipieren. Wenn man genau genug ist, geht man einerseits damit nicht transparent um – oder kann man da etwas nachlesen? – und andererseits dürfte es dem Grundsatz nach so sein, dass der komplette Aufsichtsrat zurücktreten müsste.
Aber ich werde dem mal nachgehen und die Pressestelle befragen, ob es derlei Transparenzberichte und -hinweise gibt. Ich würde mich aber auch freuen, wenn es Hinweise zu diesen rechtlichen Absurditäten gäbe.