Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Das heißt aber nicht, dass er zu den klügsten Einrichtungen der Bundesrepublik gehört. Gestern flatterte mir die neueste Ausgabe der Zeitschrift “Bürgerrechte & Polizei” ins Haus. Thema: Geheimdienste im Aufwind. Wie jedes mal so auch gestern und heute eine gute Lektüre. In einem Artikel von Martin Stange geht es um “Proteste gegen den Irak-Krieg und der Nötigungsparagraf”. So hatte, wird da erwähnt, das Bundesverfassungsgericht am 10.1.1995 den Beschluss gefasst, “dass der Gewaltbegriff des § 240 StGB nicht auf gewaltfreie Sitzblockaden, die durch rein körperliche Anwesenheit von Personen gebildet werden, angewendet werden dürfe. Das scheint den Bundesgerichtshof herzlich wenig zu interessieren. Er erfand die sogenannte ”Zweite-Reihe-Rechtssprechung“. Und die geht, bezogen auf die Blockaden in Frankfurt, so (ist Gerichtsphilosophie, also nicht wundern):
Der Sitzblockierer halte nur das erste Auto rein psychisch, also ohne Gewalt, auf. Er instrumentalisiere dieses Auto jedoch zur materiellen Blockade für die nachfolgenden Fahrzeuge, die dann durch die ersten Autos physisch, also mit Gewalt, aufgehalten würden.
Quelle: Martin Singe, In der zweiten Reihe. Proteste gegen den Irak-Krieg und der Nötigungsparagraf, in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 78 (2/2004), 74
Nicht alle Amtsrichter folgen dieser Logik, sondern machen etwas sinnvolleres. Singe erwähnt den Amtsrichter Rupp, der, von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafbefehle gar nicht erst unterzeichnete. Das Landgericht zwang ihn allerdings zu einer Hauptverhandlung.
Am 14. Juni ließ Rupp also gegen vier Angeklagte verhandeln. Dabei erteilte er der Staatsanwaltschaft eine schwere Rüge: Sie benutze das Ordnungswidrigkeitenrecht, um eine Hauptverhandlung zu erzwingen. Den Vorwurf der Nötigung, an dem die Anklage unverdrossen festhielt, nahm Rupp unter Hinweis auf das BVerG-Urteil von 1995 auseinander. Er verurteilte die Angeklagten schließlich zu einem Bußgeld von 5 Euro pro Person wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
Quelle: a.a.O., S. 76
Die Staatsanwwaltschaft hält an der Rechtssprechung des BGH unverändert fest, schreibt Singe, und will gegen jeden Freispruch in Berufung gehen. Das soll man mal verstehen. So kann man auch Steuergelder verschwenden auf Kosten a) der Bürger und b) der Bearbeitung anderer, vielleicht drängenderer Fälle.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig fällt aber auch unangenehm auf. In der zusammengestellten Chronologie in ”Bürgerrechte & Polizei” wird ein Urteil vom 16.6. erwähnt:
Kein Abschiebeschutz für Mutter eines Kleinkindes: Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im Falle einer 33-jährigen Nigerianerin, dass das Schutzbedürfnis eines Kleinkindes die Mutter nicht vor Abschiebung bewahrt. (Az: 1 C 27.03) Quelle: a.a.O., S. 97
Der genaue Wortlaut der Entscheidung ist leider nicht dokumentiert auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts.
Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Das heißt aber nicht, dass er zu den klügsten Einrichtungen der Bundesrepublik gehört. Gestern flatterte mir die neueste Ausgabe der Zeitschrift “Bürgerrechte & Polizei” ins Haus. Thema: Geheimdienste im Aufwind. Wie jedes mal so auch gestern und heute eine gute Lektüre. In einem Artikel von Martin Stange geht es um “Proteste gegen den Irak-Krieg und der Nötigungsparagraf”. So hatte, wird da erwähnt, das Bundesverfassungsgericht am 10.1.1995 den Beschluss gefasst, “dass der Gewaltbegriff des § 240 StGB nicht auf gewaltfreie Sitzblockaden, die durch rein körperliche Anwesenheit von Personen gebildet werden, angewendet werden dürfe. Das scheint den Bundesgerichtshof herzlich wenig zu interessieren. Er erfand die sogenannte ”Zweite-Reihe-Rechtssprechung“. Und die geht, bezogen auf die Blockaden in Frankfurt, so (ist Gerichtsphilosophie, also nicht wundern):
Der Sitzblockierer halte nur das erste Auto rein psychisch, also ohne Gewalt, auf. Er instrumentalisiere dieses Auto jedoch zur materiellen Blockade für die nachfolgenden Fahrzeuge, die dann durch die ersten Autos physisch, also mit Gewalt, aufgehalten würden.
Quelle: Martin Singe, In der zweiten Reihe. Proteste gegen den Irak-Krieg und der Nötigungsparagraf, in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 78 (2/2004), 74
Nicht alle Amtsrichter folgen dieser Logik, sondern machen etwas sinnvolleres. Singe erwähnt den Amtsrichter Rupp, der, von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafbefehle gar nicht erst unterzeichnete. Das Landgericht zwang ihn allerdings zu einer Hauptverhandlung.
Am 14. Juni ließ Rupp also gegen vier Angeklagte verhandeln. Dabei erteilte er der Staatsanwaltschaft eine schwere Rüge: Sie benutze das Ordnungswidrigkeitenrecht, um eine Hauptverhandlung zu erzwingen. Den Vorwurf der Nötigung, an dem die Anklage unverdrossen festhielt, nahm Rupp unter Hinweis auf das BVerG-Urteil von 1995 auseinander. Er verurteilte die Angeklagten schließlich zu einem Bußgeld von 5 Euro pro Person wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
Quelle: a.a.O., S. 76
Die Staatsanwwaltschaft hält an der Rechtssprechung des BGH unverändert fest, schreibt Singe, und will gegen jeden Freispruch in Berufung gehen. Das soll man mal verstehen. So kann man auch Steuergelder verschwenden auf Kosten a) der Bürger und b) der Bearbeitung anderer, vielleicht drängenderer Fälle.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig fällt aber auch unangenehm auf. In der zusammengestellten Chronologie in ”Bürgerrechte & Polizei” wird ein Urteil vom 16.6. erwähnt:
Kein Abschiebeschutz für Mutter eines Kleinkindes: Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im Falle einer 33-jährigen Nigerianerin, dass das Schutzbedürfnis eines Kleinkindes die Mutter nicht vor Abschiebung bewahrt. (Az: 1 C 27.03) Quelle: a.a.O., S. 97
Der genaue Wortlaut der Entscheidung ist leider nicht dokumentiert auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts.