8. Dezember 2024 Alles muss raus!

Brüggemanns Backstage-Elegien

„Meckert nicht so elendig“ überschreibt der Musikjournalist Axel Brüggemann seinen Text, in dem er seinen neuen Endgegner für die kommenden Jahre vorstellt. Seit langer Zeit hat er dabei schon Gerald Mertens von unisono (ehemals DOV) auf dem Schirm, jetzt tritt Antje Valentin vom Deutschen Musikrat auch noch dazu. Brüggemanns Vorwurf: „Schlechtgelauntes Mahnen steigert die Akzeptanz für Musik in der Öffentlichkeit nicht.“ Und solche Kritik daran, tut es noch weniger. Zumal dann ein Rattenschwanz von Infos kommt, das gar nicht nach Meckern klingt:

“Mertens und seine Kampfgenossen beharren auf Privilegien, die zukünftig kaum zu halten sein werden. Regelmäßig postet der unisono-Chef auf X, dass die Klassik-Kultur nicht in der Krise stecke, dass alles bergauf gehe, dass der Ruf unserer Orchester nicht besser sein könnte. Was er verschweigt, ist, dass die Konzerte von Bremerhaven bis München, von Berlin bis Dortmund eben nicht mehr automatisch ausverkauft sind. Dass viele Städte und Länder sich das Überangebot von Orchestern nicht mehr lange leisten werden – ganz zu schweigen vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk.” (Axel Brüggemann: Meckert nicht so elendig – 20.10.24)

Mertens ist übrigens nur noch bis maximal vor dem 1. Juni 2025 für unisono tätig als Geschäftsführer. Die Stelle ist längst ausgeschrieben worden. Um zum Weselsky der Orchestermusizierenden zu werden, ist die Zeit knapp. Was soll das Gewerkschaft-Bashing eigentlich? Sollen die ein laue Vertretung haben, die sich um die Abschaffung der Privilegien ihrer Mitglieder mehr kümmert als deren Bestand und stetige Fortschreibung. Eine Gewerkschaft setzt sich normalerweise für ihrer Mitglieder ein, nicht gegen sie. Aber ist vielleicht alte Schule, so etwas …

Was sagt Brüggemann eigentlich: Wir haben ein Überangebot an Orchestern – die müssen nicht erhalten werden, sondern weg. Und damit soll man sich bitte befassen. Er sagt: Die Konzerte allerorten waren bis vor kurzem offenbar automatisch ausverkauft, und sind es jetzt nicht mehr. Belege wären hilfreich. Müssen aber auch nicht sein. Es geht ja um den Krawall. Er setzt fort:

“Mertens verschließt die Augen davor, dass seine Forderungen für den Erhalt vergangener Strukturen die bestehenden Strukturen perspektivisch brutal gefährden. Dass es allerhöchste Eisenbahn für Transformation ist.” (Axel Brüggemann: Meckert nicht so elendig – 20.10.24)

Klar, Transformation ist immer. Aber es sollte schon eine sein, die Brüggemann auch so für uns alle benannt hat. Sein nachfolgender Fragenkatalog ist der, den man seitens der Kulturabwicklungsabteilungen aus der Politik gut kennt. Stempel: Kann weg! Begründet Euer Existenzrecht!

Man kann ja beklagen, welche Bewegungen sich im Kulturbereich insgesamt abspielen. Man kann diese global betrachten im Zusammenhang auch mit technologischen Entwicklungen im Bereich der KI und der Digitalisierung. Aber alle Effekte wirken schlussendlich im Zusammenhang. Brüggemann beschreibt nicht mal die Transformation, sondern postuliert sie allein aus seiner Sicht heraus. Das ist methodisch leider schwach. Und so zerfällt seine Argumentation … weil sie auch immer nur über Namen kommuniziert wird: Früher war Monika Grütters im Visier, dann Gerald Mertens und nun auch Antje Valentin. Triggerpunkte für Brüggemann. Leider selten mehr …

Wenn hier wer meckern darf …

„In einer aktuellen Pressemitteilung erklärt der Musikrat, dass das mittlere Einkommen von Musiklehrenden im Jahr 2024 14.650 Euro brutto betrug. Vollkommen unklar bleibt, woher diese Zahl kommt?“ (Axel Brüggemann: Meckert nicht so elendig – 20.10.24)

Er jammert und bezweifelt in seinem Text, wie das Bruttoeinkommen der Musiklehrenden denn ermittelt worden sei und geht dann über Musiklehrer:innen an allgemein bildenden Schulen zu den festangestellten Musiklehrer:innen an Musikschulen zu denen, die in der KSK ihre eigene Schätzung veröffentlicht haben über. Letzteres sei nach Brüggemann völlig indiskutabel, denn das wäre ja so, als würden Amazon und Google ihre Gewinnrechnung auf Null kalkulieren. Klar, sind ja in allen Fällen eigentlich nur Ich-AGs. Er fragt, wo die Zahl herkommt. Und er könnte diese wie andere im MIZ finden, das sich aus der Quelle der KSK bedient. (Linktipp!)

Ich habe mal für Axel Brüggemann einen Screenshot gemacht und die entsprechende Passage eingerahmt und mit Pfeilen gekennzeichnet.

Freiberuflich Tätige in der Sparte Musik nach Tätigkeitsbereich und Durchschnittseinkommen miz org
Freiberuflich Tätige in der Sparte Musik nach Tätigkeitsbereich und Durchschnittseinkommen miz org

Hier finden sich auch die Angaben zur Methodik und zur Auswahl der Daten und Zahlen. Eigentlich sollte man das nach Jahrzehnten Tätigkeit in dem Bereich alles schon ein bisschen wissen. Und natürlich kann man das methodisch auch kritisieren. Auch die Art und Weise, wie das begrifflich ungenau seitens des Musikrats benannt wird. Aber die Zahlen, die er dagegen ermittelt, sind reinster Hokuspokus.

Wenn Brüggemann dann über den Instrumentalunterricht von Musiklehrenden zu der These kommt:

“Keine Frage: Es gibt zu wenig fest angestellte Musiklehrerinnen und Musiklehrer – das liegt zum großen Teil am komplexen Ausbildungsweg. Wäre es nicht viel sinnvoller, hier anzusetzen? Denn Stellen sind ja genügend ausgeschrieben.” (Axel Brüggemann: Meckert nicht so elendig – 20.10.24)

Ein Blick in die Kasseler Erklärung des VdM könnte helfen. Die Lage wird ähnlich beschrieben: „Der Verband deutscher Musikschulen warnt vor einem bedrohlichen Mangel an Musik­schul­lehrkräften“, heißt es da. Das liege einerseits, da stimmt man überein, an dem komplexen Ausbildungsweg (der übrigens mit dem ersten eigenen Gesang beginnt). Ursächlich sei aber etwas anderes. Dies geschehe vielmehr „infolge von verschlechterten Arbeitsbedingungen, teils ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen sowie der damit einhergehenden Vergütungsstrukturen. Die tarifliche Eingruppierung sei angesichts der hohen Kosten, die mit dem Musikstudium sowie der darauf vorbereitenden Vokal- bzw. Instrumentalausbildung einhergehen, nicht angemessen.“ – Und da spielt dann das Herrenberg-Urteil in seiner vollen Komplexität mit hinein.

Am Ende erklärt er uns unsere Gesellschaft:

Die Lobby-Verbände der Kulturschaffenden müssten begreifen,

“dass Kultur bei vielen Menschen da draußen keine Bestandsgarantie mehr hat. Egal, ob das richtig oder falsch ist: es ist die Realität.“ (Axel Brüggemann: Meckert nicht so elendig – 20.10.24)

Es ist allerdings eben einfach auch falsch. Also diese Analyse. Kultur geht nicht weg, bestenfalls transformiert sie sich. Das tut sie ohnehin und laufend. Sie hat weder Bestand noch nicht, menschliche Gesellschaft ohne Kultur, gibt es nicht. Nebenfage: Wer genau eigentlich sind bitte diese „vielen Menschen“, die Brüggemann hier anführt?

… dann ich

Man wird sehen. Man wird auch sehen, wie und wo sich das für sein journalistisches Produkt „Backstageclassical“ ausgeht. 1452 Follower hat Abmann mit dem Backstageclassical-Logo auf X. Auf Threads sind es 209. Facebook: 981. Auf Instagram sind es 1099. (Stand 20.10.2024 – 13 Uhr) Und so muss man sich fragen: Wie steht es um die Zukunft eines Magazins wie Brüggemanns BackstageClassical eigentlich? Welche Bestandsgarantie gibt es hier?

Ich wünsche Brüggemann natürlich kollegial einen guten Erfolg. Aber ob man das mit dieser Art von Mistgabel-Journalismus wirklich erreichen kann, wenn es nicht mal in den sozialen Medien als dem ausgewiesenen Platz der Mistgabel-Kommunikation funktioniert? Auch wenn man den sehr ertragreichen Newsletter dazu liest: Ohne die Skandale kreuz und quer, wäre das Geschäft tot. Natürlich muss man den Skandalen im Betrieb nachgehen. An dieser Stelle hier läuft es aber aus dem Ruder. Oder Axel Brüggemann hat erkannt, dass die Transformation im Musikbusiness eine allein ist, die über Personen gestaltet wird … Und damit vor allem vom Meckern selbst lebt?

Oder ist das Brüggemann-Meckern eben einfach nur nicht elendig, sondern (eventuell selbstbescheinigt) intelligent?

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