9. Mai 2024 Die Masse lebt

A-Dur

Violinkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart. Eigentlich wende ich mich doch selten der guten alten Musik zu. Denn sie ist gut, sie tut gut. Keine Ahnung, was in solcher Musik so sehr zu berühren vermag. Nach nur wenigen Tönen scheint sich ein Zauber um einen zu legen, so wie in dem Adagio des Violinkonzertes KV 219. Das ist zwar nicht A-Dur sondern E-Dur — ich sage es nur, bevor jemand mich eines Besseren belehren möchte ob der Überschrift dieses Beitrages.

Sicher, da ist die melodische Asymmetrie, das zu den Taktschwerpunkten verschobene Melos. Die unkoventionelle musikalische Handhabung wäre aber auch nur kurios, nicht mehr. Nein, vom Technischen weg, so erzeugt Mozart hier eine Schwerelosigkeit, die Boden immer im Visier, sich sogar ihm nähernd. Wie in einem Anschwung läuft das, ehe man dann durch die Kadenz doch das Gefühl bekommt, gelöst zu sein.

Adagio

Vollends kommt es zu dieser Lösung beim ersten Solo der Solo-Violine. Hier eine ganze Phrase eingekocht, die Stimme der Violine

Ausschnitt

über-„springt“ hier einiges. Die Auslassung der Musik ist eigentlich eine Verdichtung.

Kompression

Diese Kompression verfehlt ihre Wirkung nicht, aber sie ist keine Verdichtung oder Verengung der Musik sondern vielmehr eine, und so hört man es ja, eine Form, Nachdruck zu geben. Nur ist es kein Druck, der dadurch entsteht sondern eine Herausschälung, Befreiung.

Man wird ja immer an den Worten irre, wenn man so etwas beschreiben will. Eine verdichtet, nachdrückliche Loslösung ist das also. Musik liebt dieses Spiel mit eventuell widersprüchlichen Empfindungen. Sie kann Zeit und Form straffen. Hier in dem genannten Beispiel ist dies alles sicher nur ein Moment unter anderen. Das Schöne an der Wissenschaft der Musik wäre davon etwas zu begreifen und wiedergeben zu können, dass es auch ohne Fachsprache nach außen dringen kann. Das Problem dabei ist, neben anderen, dass man die Werke dabei beschädigt und die Hörer auch. Denn dieses Geleitetsein verführt gegebenenfalls zum gleichzeitigen Einknicken der „eigenen“ Hörantennen.

Das kann mir aber momentan ziemlich egal sein, da ich nur danach gesucht habe, wodurch diese speziellen Musik mich eigentlich so bezaubert hat. Vielleicht habe ich jetzt eine Ahnung, aber in jedem Fall außerordentlichen Respekt.

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7 Kommentare

  1. Und wie gelungen das

    Und wie gelungen das ist!
    Noch so eine Gabe, die mir vorenthalten wurde: Ich kann nur genießen, wenn ich nicht traktiert habe mit (mehr oder minder) wissenschaftlichen Methoden: Egalweg ob Malerei, Musik oder Literatur – sogar bei Lyrik jage ich nur noch den Jamben und Trochäen nach und höre nicht mehr auf den Klang in mir.

  2. Hm, geht bei mir genau

    Hm, geht bei mir genau umgekehrt.
    Je genauer ich mir mal irgendwann ein Stück Musik erarbeitet habe, bzw. es mir nahe gebracht wurde, desto größer der Genuss.
    Und desto größer die Überraschung, auch nach Jahren immer wieder Neues daran zu suchen und zu entdecken.
    Aber ich bin da absolute Dilettantin, von wirklich wissenschaftlichem Traktieren Lichtjahre entfernt – mir reicht sozusagen ‘n Klavierauszug für die Endorphinausschüttung, mit ‘ner Partitur bin ich überfordert. 😉

  3. Die Wissenschaft lasse man

    Die Wissenschaft lasse man mal auch besser beiseite. Die ist oft ganz nützlich wie das Handwerkzeug, das mit ihr einhergeht. Aber damit ist sie meistens ohnehin am Ende. Was hilft sie, wenn man nicht weiß, wie man etwas suchen soll oder kann. Ich muss doch das erst einmal wahrnehmen, was mich erstaunt, irritiert, begeistert, verwundert, erfreut etc.

    Manchmal will man dann einfach nur wissen, die Ursache zu finden, woran es liegt.

    Auch wenn wir Musikwissenschaftler immer im Ruf stehen, die Musik mit unseren „Analysen“ mehr zu beleidigen und zu verhuntzen (und dies ja auch oft genug passiert), so muss man eben etwas finden, was darunter liegt. Die Noten sind nur Hilfsmittel, ein stark Reduziertes zumal.

    Das Schöne an auch solcher Musik ereignet sich selten in den Noten, manchmal manifestiert es sich darin, aber klingen kann es nur in einem resonierenden Körper.

    Gegen Hörblindheit hilft keine Wissenschaft.

  4. Nee klar, Lesen ersetzt kein

    Nee klar, Lesen ersetzt kein Erleben, aber dennoch ist manches Erleben erst durch Lesen möglich.
    Mir fallen da auf Anhieb einige Bach’sche Passagen ein, die ich erst lesend aufnehmen musste, bevor ich meinte, etwas damit anfangen zu können…
    … um dann einige Zeit später festzustellen, ätsch! war ja gar nicht so, da hört man ja noch viel mehr und plötzlich ganz anderes. Aber Du hast schon recht, da war zunächst die Irritation.
    Und das Schöne ist: Es gibt noch unendlich viele solcher Stellen, bei denen ich extrem irritiert bin, ohne einen Schimmer zu haben, was dahinter stecken könnte und das alles in einer einzigen Matthäus-Passion – von der H-Moll-Messe will ich gar nicht erst anfangen und die Motetten und überhaupt und es gibt ja auch nicht nur Bach aber schon der allein reicht aus, um ein ganzes Leben zu staunen.
    Ist es nicht das, was die ganze Angelegenheit so (nein! *stampfmitdemfußauf* ich sage jetzt nicht „spannend“) wahnsinnig macht.
    😉

    Und klar, der resonierende Körper.
    Vorhin wollte ich eigentlich schreiben, dass es besser ist, die Musik im Körper, als im Hirn zu haben. Das kam mir dann aber doch ein wenig zu platt vor.

  5. Danke für die Ergänzungen.

    Danke für die Ergänzungen. Man braucht beides. Beides gehört zu einem – meistens jedenfalls und im besten Fall.

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