3. Dezember 2024 Alles muss raus!

Compact abgeschaltet – konsequente Folge

Erstaunlich finde ich, wie in „Kreisen“ auf das Vereinsverbot der „COMPACT-Magazin GmbH“ sowie die „CONSPECT FILM GmbH“ reagieren. In der taz schreibt Friedrich Küppersbusch, sich auf ein Verbot von Horst Seehofer beziehend:

„Mit dem gleichen Kniff übers Vereinsrecht verbot Horst Seehofer 2017 linksunten.indymedia, und man tut beiden Plattformen kein Unrecht, wenn man an ihrer weltenstürzenden Bedeutung zweifelt. Und damit am Sinn der Verbote. Natürlich war bei linksunten vieles fragwürdig und bei Compact alles bescheuert, und ebenso natürlich wird mir der wöchentliche Lacher über Elsässers Hirndurchfall fehlen. Es mag eine hoffärtige Einzelmeinung sein: Ich finde bei diesen Verboten, dass mir die Obrigkeit zu wenig zutraut.“

Ähnlich sehen es zahlreiche Positionen aus dem Linken oder rechten Lager. Das Verbot schade der Demokratie mehr, als dass ihr diene, so dem Sinn auch Deniz Yücel in der Welt.

Warum sollte Demokratie nicht angewandt werden?

Was ich daran verstörend und nicht nachvollziehbar finde, sind zwei Dinge.

  1. Warum schade sich die Demokratie, wenn sie Mittel verwendet, die in ihr angelegt sind. Dann ist die Demokratie also defekt? Die Verstörung ist aber vor allem auch folgende.
  2. Es geht doch nicht darum, was einem Küppersbusch zuzutrauen ist. Das System hinter Jürgen E. ist nicht die Ideologie, die er mit seinen Publikationen betreibt, sondern dass damit Dinge finanziert werden, zu dem die Zeitschriften und Bücher nur der Zweck sind. Das ist nicht viel anders als beim Rechtsrock. Es werden auf diese Weise durch Vereine Institutionen mitunterhalten, deren Ziel es ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen (oder schwerst zu schädigen).

Die Zeitschriften und Publikationen sind Geldmaschinen und Ordnungsmittel

So wäre es bislang eben noch die absurde Möglichkeit gewesen, durch staatliche Förderung mithilfe des Kulturpasses für 18-Jährige zahlreiche Publikationen zu erwerben, die aus dem Elsässer-Verein stammen. Die Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesregierung würde auf diese Weise weiterhin sogar die Organe mitfinanzieren, die an ihrer Beseitigung interessiert sind (ich habe hier darüber geschrieben). Das ist der problematische Zustand. Schlimm genug, dass es immer noch Produkte aus dem Kopp-Verlag und anderen unlustigen Verlagen gibt. Es zeigt, wie verzweigt die Szene längst ist. (Auf dem noch erreichbaren X-Account von Compact wird für diese Publikationen geworben natürlich weiterhin geworben.)

Bei Küppersbusch findet sich dazu diese eigenartige Linksstereotype, die Institutionen des Staates als Obrigkeit terminologisch und ideologisch abzukanzeln. Was soll das? Es ist die eigentümliche Dummheit einer überheblichen Linken, diese Frage rein vom Papier her abzuhandeln und nicht von ihrer ökonomischen und sozialen wie politischen Struktur. Die Gehirnwäsche ist nur das Nebenprodukt des Erwerbs von Geld – man hat es auch in der Querdenker-Szene ganz genau sehen können, wie das fabelhaft funktioniert.

Rechtsdenk wie Rechtsrock

Ich zitiere hier aus einer längeren Passage aus „Wie die Rechte Szene mittels Musik ihre Strukturen ausbaut · Von Thorsten Hindrichs“ – was meines Erachtens auf die rechte Denkszene ziemlich eins zu eins übertragbar ist. Erschienen ist der Text in der neuen musikzeitung 6/2018 – 67. Jahrgang

Nach innen gerichtet, dient RechtsRock der extremen Rechten erstens zur sozialen Stabilisierung. Konzerten kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Angefangen bei der „Schnitzeljagd“, bei der sich von allerlei Handynummern und Schleusungspunkten bis zum konkreten, in aller Regel geheim gehaltenen Konzertort durchgeschlagen werden muss, über das Treffen beziehungsweise Wiedertreffen von gleichgesinnten „Kameraden“ bis hin zum gemeinsamen (Ab-)Feiern während eines Konzerts: Als gelebte und erlebte „Lebenswelt“ (nicht Erlebniswelt!) fördern Konzerte den Zusammenhalt der Szene. Tonträger hingegen bieten die Möglichkeit, sowohl die im RechtsRock artikulierten extrem rechten Einstellungen als auch die „Lebenswelt“ ins individuelle Privatleben daheim überführen zu können. Als solchermaßen vollzogene Teilhabe an einer „imagined community“ wirkt diese Form der Einbindung von RechtsRock in den individuellen Alltag ebenfalls sozial stabilisierend.

Zweitens dient RechtsRock selbstverständlich auch der szeneinternen Vernetzung, wobei insbesondere zahlenmäßig große RechtsRock-Konzerte ideale Vernetzungsmöglichkeiten auf überregionaler Ebene bis hin zum Knüpfen europa- oder gar weltweiter Kontakte bieten.

Drittens werden in und durch RechtsRock szeneinterne Hierarchien ausgehandelt. Dies betrifft schlichte Machtfragen ebenso wie Streitfragen in Sachen weltanschaulicher beziehungsweise politischer Strategien. Obwohl am 15. Juli 2017 in Themar sämtliche Parteien der extremen Rechten vertreten waren, stach die Partei „Der Dritte Weg“ (DDW) deutlich hervor, weil deren Mitglieder mehr oder minder uniformiert und „im Block“ auftraten, weil es einigen außerdem gelungen war, auf der Bühne zwei große Banner mit Parteilogo zu platzieren und weil DDW in der szeneinternen Nachbereitung kein gutes Haar an diesem „Sauf- und Partyfestival“ ließ. Am 18. Juli 2017 forderte Matthias Fischer, „Gebietsleiter Mitte“ bei DDW, auf der Homepage der Partei: „Raus aus der Szene – hinein in eine nationalrevolutionäre Bewegung!“. Der Hintergrund ist ein seit Jahren schwelender Streit innerhalb der extremen Rechten um die „richtige“ Strategie zur Machtergreifung, der sich auf die beiden Pole „Teilhabe am Prinzip der parlamentarischen Demokratie“ einerseits, und „Kampf auf der Straße/Kampf um die Straße“ andererseits reduzieren lässt. Zugleich sieht sich DDW als Hüter des eigentlichen Kerns des sogenannten Nationalen Widerstands, was sich die alteingesessene und nach Selbstwahrnehmung immer noch wichtigste Partei der extremen Rechten, die NPD, selbstverständlich genauso wenig bieten lassen will wie die überproportionale Präsenz von DDW in Themar. Insofern nimmt es kaum Wunder, dass spätestens nach Themar III im Oktober 2017 ein szeneinterner Überbietungswettbewerb um das größte, beste, schönste RechtsRockfestival in Gang gekommen ist, dessen vorläufiger Höhepunkt die Ankündigung eines „Rock gegen Überfremdung III“ für den 25. August 2018 irgendwo „in Mitteldeutschland“ ist, auf einem Gelände, das drei Mal so groß sei als das in Themar und Platz für 20.000 Besucher böte.

Die vierte und wohl wesentlichste Funktion von RechtsRock nach innen ist jedoch schlicht und ergreifend Geld. Mit RechtsRock wird viel Geld verdient (vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass allein beim ersten Festival in Themar etwa 200.000 Euro Gewinn erzielt wurden), wobei dieses Geld vorrangig dazu genutzt wird, „Strukturen auszubauen“, wie der rechtsextreme Aktivist Axel Schlimper beim zweiten Festival in Themar überraschend freimütig in die Kamera sagte. Hinter „Strukturen aufbauen“ verbirgt sich vorrangig die Strategie, Immobilien aufzukaufen, die dann ihrerseits für Konzerte oder parteipolitische Versammlungen genutzt werden können.

Hinter „Strukturen aufbauen“ verbirgt sich in Kombination mit dem Aspekt der Netzwerke jedoch noch etwas anderes, das sich als besonders eindrücklich, weil erschreckend, zeigt, sobald man sich das Netzwerk des NSU-Terrors vor der Folie Musik vor Augen hält: Mindestens eines der Bekennervideos des NSU ist mit dem Song „Kraft für Deutschland“ der RechtsRock-Band Noie Werte unterlegt. Nicole Schneiders, Verteidigerin von Ralf Wohlleben im Münchner NSU-Prozess, ist Anwaltskollegin von Steffen Hammer, Sänger von Noie Werte. Noie Werte ist mit dem rechtsterroristischen Netzwerk Blood & Honour aufs engste verbandelt. Der (ehemalige) sächsische B&H-Sektionschef Jan Werner soll versucht haben, dem NSU-Kerntrio Waffen zu beschaffen. Werner betrieb außerdem das RechtsRocklabel Movement Records, bei dem unter anderem Landser ihre Alben verlegten. Über Jan Werner lassen sich jedoch auch Verbindungen zur europäischen Hammerskin-Szene nachverfolgen; Kopf des „Chapters Westmark“ der Hammerskins ist wiederum Malte Redeker, der mit seiner „Gjallarhorn Klangschmiede“ in Ludwigshafen eines der zentralen RechtsRock-Labels betreibt. Es ist zwar nicht zu entscheiden, inwiefern im Song „Döner Killer“ von Gigi und die braunen Stadtmusikanten „Täterwissen“ offenbart wird, dass der Song aber ein Jahr vor der Selbstenttarnung des NSU-Kerntrios veröffentlicht wurde, ist allemal bemerkenswert.

Diese kurze (und eher unvollständige) Auflistung zeigt, dass RechtsRock weit mehr als eine abenteuerliche „Erlebniswelt“ für extreme Rechte ist, sondern in letzter Konsequenz auch helfen kann, Menschen zu töten. [Quelle: „Wie die Rechte Szene mittels Musik ihre Strukturen ausbaut · Von Thorsten Hindrichs“]

Das Grundgesetz ist kein Kniff gegen Diktaturen

Es ist kein Kniff, sondern einfach eine funktionierende Demokratie, die sich da manifestiert. Würde man das Gleiche sagen, wenn man von heute gesehen die NSDAP verböte und damit den „Stürmer“ gleich mit. Man könnte auch so ehrlich sein und dann sagen: Okay, selbst das Grundgesetz ist bloß ein Kniff gegen Diktaturen, wir trauen uns zu, uns von der Obrigkeit nicht vordenken zu lassen, dass wir wüssten, was sie ist.

Im Übrigen hat sich im Rechtsstaat das Prinzip des Rechts zu bewähren und nicht das der Straße, ob auf Traktoren oder in Geplapper in Gazetten.

 

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