In einem aktuellen Beitrag deckt das Online-Magazin Backstage Classical (BSC) mal wieder einen brutalen Skandal auf. Es geht um die GEMA und die Abrechnung und Verteilung der Erträge. Der Autor des Beitrag Thilo Komma-Pöllath (TKP) lässt es in dem Satz gipfeln:
„Da sich die GEMA im vorliegenden Fall also an die eigenen Regeln hält, überrascht dann doch, mit welcher Penetranz sie ihren schlechten Ruf verteidigt.“(Quelle: »Die GEMA: Ein undurchsichtiger Verein«)
Ja, wo kämen wir denn hin, wenn die GEMA sich an ihre eigenen Regeln hält. Mönsch, das wäre ja im Zweifel voll korrekt. Man kann der GEMA ja vieles vorwerfen, aber das geht dann doch zu weit.
Ich kenne freilich diese problematischen Scheren zwischen Abgaben und Einnahmen aus den Studierendenjahren bei Konzerten mit gemapflichtigen Material. Das war auch Grund genug, damals eigene Werke nicht bei der GEMA zu melden, bzw. Mitglied der Gesellschaft zu werden. Wie der Fall, den Thilo Komma-Pöllath da erwähnt, exakt gestrickt ist, geht leider aus dem Text gar nicht hervor. Muss auch nicht interessieren. Es ärgert einen aber schon ein wenig, wenn zwar aus Antworten von Mitarbeitenden der GEMA zitiert wird, aber deren Antworten wenig Zusammenhang bekommen, wenn man nicht auch die Fragen dazu im Wortlaut kennt.
Interessant ist vielmehr, dass er genau zu einem Zeitpunkt lanciert wird, wo die Verteilungsschlüssel möglicherweise für die Zukunft drastisch neu zusammengestellt werden. Die Solidargesellschaft zwischen den Vertreter:innen aus U- und E-Musik gerät massiv ins Schwanken. Moritz Eggert hat bereits im Bad Blog Of Musick einen Vorschlag als Präsident des Deutschen Komponist:innenverbandes in den Ring geworfen.
Stattdessen wird bei BSC das Ende der GEMA wegen drei Bearbeitungen alter Musik eingeläutet.
Natürlich ist es bekannt, dass vor allem private Veranstalter zusehen, dass möglichst wenig Abgaben an die GEMA geleistet werden wenn es um Neue Musik geht, und es ist auch keine Neuigkeit. Dass deshalb aber im Bereich der populären Kunst plötzlich aller Räder stillstehen würden, ist unwahrscheinlich. Oder sehen wir eine große Absagerunde im Bereich der Roland Kaisers und Howard Carpendales entgegen (wobei ich aktuell nicht genau weiß, wie weit die auch als Textautoren und Komponisten unterwegs sind).
Zurück zur Lage: 2007 hatte ich mal ein Gespräch mit Manfred Schoof. Ich warf ihm genau das vor, was TKP hier auch in Anschlag bringt. Die Veranstalter meiden aktuelle Musik von Berechtigten der GEMA, weil die ihnen zu teuer seien. Schoof antwortete damals – ich nehme mal das ganze Zitat:
Wenn die Autoren dieser Werke möchten, dass sie das bekommen, was eingenommen wurde, dann müssen sie Netto-Einzelverrechnung beantragen. Das heißt, sie bekommen abzüglich der Bearbeitungsgebühren das ausgezahlt, was dort eingenommen worden ist. Diese Möglichkeit haben die Leute. Das bedeutet aber leider gleichzeitig, dass sie nicht an der Wertung teilnehmen. Die Wertung ist eine zusätzliche Vergütung, die je nach Einnahmen, beziehungsweise Aufführungen, an die Mitglieder ausgeschüttet wird. Die kommt aber dann dadurch, dass die Künstler das volle Geld bekommen, was sie eingespielt haben, nicht zum Tragen, denn sie haben ja nichts in die Wertung einbezahlt, sondern alle Einnnahmen erhalten. Da ist aber noch ein viel größeres Problem: Die Jazzclubbesitzer beschweren sich sehr darüber, dass sie so viel GEMA abführen müssen. Wenn man dann hört, dass die Leute so wenig bekommen, liegt das zum Teil auch am Verteilungsplan, das heißt am neuen Verteilungsmodus, der Methode PRO, die zwar eine bessere Methode ist als die, die vorher da war, für öffentliche Aufführungen wohlgemerkt, aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Das heißt sie ist verbesserungswürdig. Daran wird in verschiedenen Ausschüssen und Kommissionen gearbeitet.
Aber noch einmal zurück zu diesen Beschwerden der Jazzclubs. Die gehen zum Teil soweit, dass sie sogar Musiker erpressen, indem sie sagen, du kannst bei mir spielen, wenn du deine Werke nicht bei der GEMA anmeldest. Das dürfen die Musiker natürlich nicht. Sofern sie GEMA-Mitglied sind, müssen sie ihre Werke anmelden. Sie haben gar keine andere Wahl. Die GEMA ist eine Monopolgesellschaft und sie ist rechtlich verpflichtet, das so zu machen. Und damit sind die Mitglieder auch verpflichtet, das so zu machen. Das ist natürlich ein schlimmer Zustand, wenn solche Veranstalter einem so kommen. Andererseits hört man oft von den Veranstaltern das sicherlich nicht ganz unbegründete Gejammer, sie haben so wenig Eintritt bekommen, sie müssen die Musiker bezahlen, jetzt müssen sie auch noch die GEMA bezahlen, ist es nicht möglich, dass wir darüber reden können? Am liebsten würden sie die GEMA-Gebühren ganz abschaffen. Das geht natürlich überhaupt nicht, aber es könnte durchaus sein, dass man in solchen Sonderfällen, in denen nachgewiesenermaßen die Clubs darben – ich kann natürlich hier keine entscheidenden Äußerungen machen –, dass man über eine Modifizierung nachdenken könnte. Denn im Rahmen der Entwicklung ist ja der Verteilungsplan ständig veränderungsbedürftig.
Es gibt leider auch Clubs und Musiker, die ihre eigenen Kollegen benachteiligen beziehungsweise übervorteilen und betrügen, indem sie Werke aufschreiben, die sie gar nicht gespielt haben. In Bars, wo den ganzen Abend „New York, New York“ und „Lili Marleen“ gespielt wird, da steht auf dem Anmeldezettel, ich habe den ganzen Abend fünf Stunden lang nur meine eigenen Werke gespielt. Und dann wundert sich die GEMA, dass solche Leute, die in irgendwelchen Bars in Recklinghausen oder Ingolstadt spielen, ein fünfstelliges Aufkommen haben. Das ist ein regelrechter Betrug. Auch hier ist die GEMA natürlich an vielen Fronten aktiv und muss wachsam sein.
Die meisten Menschen sehen im Zusammenhang mit GEMA nur eine Gesellschaft, die horrende Geldsummen kassiert. Sie sehen nicht, dass die GEMA nicht nur ein Inkassounternehmen, sondern vor allem eine Solidargemeinschaft ist, die auch einen bestimmten Prozentsatz für kulturelle und soziale Zwecke vom Aufkommen aller Mitglieder aller Einnahmen abzieht, um bedürftigen Kollegen zu helfen. (Quelle: https://www.musikkritik.org/2007/12/manfred-schoof-im-gespraech-mit-ueber-darbende-jazzclubs-und-ueber-e-musik-als-musikforschung/)
Jetzt frage ich mich: Auf wessen Seite stellt sich dieser Beitrag bei Backstage Classical? Die Situation, das mahnt hier Schoof an und an anderer Stelle Geburtstagskind Moritz Eggert, ist nicht für alle Ewigkeiten festgeschrieben. Die Dinge sind im Fluss auch technisch und sozial. Aber den Sinn und die Funktion der Institution GEMA an den Lizenzgebühren für die Aufführung von Beabeitungen Alter Musik festzumachen, wirkt an den Haaren herbeigezogen. Und das auf der Glatze der kreativen Künstler:innen allerorten.
Das kann nur noch dadurch getoppt werden, dass Thielemann gesagt haben soll, er möchte der Kameramann des nächsten Bundeskanzlers nach dem Vorbild von Bohlen für den Deutschen Kulturunrat werden. Oder so ähnlich … könnte ja sein.
Disclaimer: Der Autor nicht Mitglied der GEMA, er ist sogar ausdrücklich nicht Mitglied der GEMA, obwohl er auch Komponist ist (oder war). Der Autor ist im Gegenteil Gründer von Public Domain Compositions, weil er gerade nicht daran glaubt, dass die GEMA etwas für Kleinstkomponist:innen ist oder für randständiges Komponieren. Er ist auch der Überzeugung, dass es in der GEMA zahlreiche Probleme gibt, was deren komplexes Regelwerk angeht. Und er ist auch der Überzeugung, dass die GEMA viel Entwicklungspotential für die Zukunft entwickeln muss, angesichts der Herausforderungen einer digitalisierten Umwelt, die von KI-Produkten unterspült wird. Aber er ist auch der Überzeugung, dass viele Probleme auf die GEMA projiziert werden, die aber die Gesellschaft GEMA selbst lösen muss und dass es dann nicht von Schaden wäre, statt zu meckern, sich zu engagieren.
Dein Disclaimer ist ja echt cool. Gratulation. Nur 2 Kleinigkeiten: 1) Für Veranstalter, die wirklich wenig Karten verkaufen, gibt es eine Härtefallregelung, die im Bereich der Neuen Musik rel. oft benutzt wird und werden muss. 2) Tatsächlich bekommen GEMA-Mitglieder, wenn sie “ordentliches Mitglied” sind, ein kleine Altersrente im unteren dreistelligen Bereich. Da alle Komponisten, die ich kenne, mich selbst eingeschlossen, winzige Renten bekommen, nützt das bisschen Taschngeld den meisten sehr…