3. Dezember 2024 Alles muss raus!

Rezensionsblüten in der Musikwissenschaft

Wer anderen Vorschriften machen möchte und dabei auf die Einhaltung von Standards (welcher Art und mit welcher Legitimation) besonderen Wert legt, sollte ganz genau darauf achten, dass er oder sie diese Vorschriften selbst nicht ignoriert. Eigentlich wollte ich nur eine ganz kurze Rezensionsrezension schreiben, aber die Fußnoten, die Genauigkeit … was soll man da machen. Außer vielleicht mit einem Gegenversuch. Um es vorwegzusagen: Diese Rezension im Blog „kontrovers“ ist eine Boshaftigkeit.

Ach, worum geht es:

kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x1kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

Das zumindest ist der Zitationsvorschlag des Blogs – aus dem leider nicht einmal der Name der Autorin hervorgeht. Da hat die Autorin sich den passenden Platz also ausgesucht, ist irgendwo „›aus dem Internet‹“2kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x – aber dazu später, denn bei der Lektüre der Rezension wird gelernt, dass das kein so richtig wirklich guter Ort ist (siehe unten). Wenn ich sage, es handelt sich dabei sogar um ein Blog.3Der Blog kontrovers versteht sich als Gesprächsplattform für Musikwissenschaftler*innen aller Teildisziplinen. Ziel des Blogs ist eine sachliche Debatte über Kernfragen des Fachs, in der Hierarchien des akademischen Systems keine Rolle spielen und auch unfertige und strittige Gedanken ein Forum finden. — Quelle: https://kontrovers.hypotheses.org/ueber-kontrovers – dort am 26.6.2024 um 18:20 so gelesen, Screenshot zur Dokumentation gesichert.

Die Rezensentin, Professorin für Musikwissenschaft an einer Musikhochschule, bemängelt:

„So gut wie keine Angabe ist korrekt. Dass man bei Beiträgen aus Sammelwerken – ob gedruckt oder online publiziert – Autor*innen und Titel anzugeben hat, lernt man im ersten Semester jedes geisteswissenschaftlichen Studiums. Dass Lücker nicht einmal die auf vielen Websites bequem zugänglichen Zitationsvorschläge nutzt, sondern nackte URLs (ohne Abrufdatum!) nennt, offenbart ebenso viel Schlampigkeit wie Respektlosigkeit gegenüber der geistigen Arbeit der vielen Menschen, die etwa für Musik und Gender im Internet (MUGI) oder das Instrumentalistinnen-Lexikon des Sophie Drinker Instituts für musikwissenschaftliche Frauen- und Geschlechterforschung exzellente Beiträge erarbeitet haben. Wenn Lücker doch mal – im Fließtext – Namen nennt, verwechselt er gerne Herausgeber*innen mit tatsächlichen Autor*innen der jeweiligen Beiträge. Bei Angaben zu Print-Publikationen stimmen zudem manche Titel nicht oder Seitenangaben bzw. Jahreszahlen fehlen. Es ist offensichtlich, dass Lücker – nach eigener Aussage studierter Musikwissenschaftler – elementare wissenschaftliche Arbeitstechniken nicht beherrscht.“4kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

Da muss man mal ins Detail gehen. Denn in diesem Absatz findet sich viel Kritik, aber auch viel Ungares.

Was ist eine nackte Url?

MUGI Redaktion, Artikel „Kaija Saariaho“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard, Nina Noeske und Silke Wenzel, HfMT Hamburg, 2003ff. und HfM Weimar, 2022ff. Stand vom 9. Juni 2023, online verfügbar unter https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000703, zuletzt abgerufen am 25. Juni 2024.
Quelle: MUGI Redaktion, Artikel „Kaija Saariaho“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard, Nina Noeske und Silke Wenzel, HfMT Hamburg, 2003ff. und HfM Weimar, 2022ff. Stand vom 9. Juni 2023, online verfügbar unter https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000703, zuletzt abgerufen am 25. Juni 2024.

So etwas gibt es schlicht nicht. Es gibt URLs. Diese finden sich ebenso (ohne Abrufdatum!) in der MUGI. Siehe Screenshot. Rein technisch gesehen gibt es weder angezogene, noch nackte Urls. Eine Url ist, kurz gesagt5https://de.wikipedia.org/wiki/Uniform_Resource_Locator, eine Internetadresse. Für ein Studium der Quelle ist es einigermaßen egal, wann diese Adresse von einer Nutzer:in angeschaut worden ist. Denn Urls sind zwar Adressen, aber deren Inhalt ist, mit Ausnahmen, nicht dauerhaft sicher. Egal ob durch Änderung derjenigen, die Zugriff haben, oder durch unerwünschte technische Eingriffe von außen.

Mythos Abrufdatum

Quelle: Felix Emter, Artikel „Isabel Mundry“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard, Nina Noeske und Silke Wenzel, HfMT Hamburg, 2003ff. und HfM Weimar, 2022ff. Stand vom 22. Juli 2017, online verfügbar unter https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000585, zuletzt abgerufen am 26. Juni 2024.
Quelle: Felix Emter, Artikel „Isabel Mundry“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard, Nina Noeske und Silke Wenzel, HfMT Hamburg, 2003ff. und HfM Weimar, 2022ff. Stand vom 22. Juli 2017, online verfügbar unter https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000585, zuletzt abgerufen am 26. Juni 2024.

Was also taugen übrigens Abrufdaten von Websites, wenn man nicht mehr den Zustand des jeweiligen Tages herstellen kann. Was hilft die Kenntnis eines Abrufdatum zu einer Url, wenn diese bereits nicht mehr existiert. Auch aus der MUGI hier am Beispiel der kommentierten Links zu Isabel Mundry. Diese vier sind unerreichbar.

Was also bedeutet Abrufdatum, warum, wenn sich doch Text innerhalb eines Tages verändern können, hilft er zur Quellenerschließung. Es handelt sich dabei maximal um einen Hinweis. Anders bei der Wikipedia, wo den jeweiligen Stand verlinken kann, der dem zitierten Text entspräche.

Dennoch hält man an dieser Gepflogenheit fest. Das mag dann im streng wissenschaftlichen Kontext unvermeidbar sein. Aber für eine Publikation, die sich gerade nicht an ein Fachpublikum wendet, da dieses sowieso informiert ist, mag eine derartige Erbse an der Url – nun ja – egal sein, wo nicht gar abschreckend.

[Disclaimer: Ich werde heute an dem Text wahrscheinlich noch ein paar Veränderungen vornehmen. Es wird also nicht genügen, das Abrufdatum anzugeben, jedenfalls reicht dafür die Nennung des Tagesdatums eher nicht aus. – Wenn man ganz exakt sein wollte, müsste man zudem übrigens noch die Zeitzone angeben aus der Abruf erfolgt ist.]

Exzellente Artikel in MUGI – was ist dran?

Gegenüber dem Buch von Lücker führt die Rezensentin an, sind die Beiträge von MUGI exzellent. Und zwar nicht fallweise. Sondern einfach so. Ein kurzer Blick: Kaija Saariaho https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000703 reicht.

Es gibt zwar ein Link zum kostenpflichtigen Eintrag des Lücker-Artikels im Van-Magazin, darunter dann aber ein irgendwie eigenartiger Verweis auf die Wikipedia.

http://de.wikipedia.org/wiki/Sappho
Verantwortlich: Wikipedia (freie Enzyklopädie)
Anderes Material: Ausgaben ihrer Werke, Literatur
Grundinformation: Biografie, Abbildung, Links
recherchiert am 15. April 2006
Sprache: Deutsch

Nur taucht in dem Artikel zu Sappho mindestens aktuell die Komponistin nicht auf. Auch nicht in dem Artikel, der 2006 erstellt worden ist: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sappho&oldid=14976659

MUGI Redaktion, Artikel „Kaija Saariaho“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 9. Juni 2023, online verfügbar unter https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000703, zuletzt abgerufen am 10. April 2024.
MUGI Redaktion, Artikel „Kaija Saariaho“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 9. Juni 2023, online verfügbar unter https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000703, zuletzt abgerufen am 10. April 2024.

Interessanterweise ist dieser Eintrag zur Wikipedia in dem betreffenden Artikel zwar gelöscht worden, aber man hat diese Änderung nicht dokumentiert.6MUGI Redaktion, Artikel „Kaija Saariaho“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard, Nina Noeske und Silke Wenzel, HfMT Hamburg, 2003ff. und HfM Weimar, 2022ff. Stand vom 9. Juni 2023, online verfügbar unter https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000703, zuletzt abgerufen am 26. Juni 2024. Es gibt schlicht keine Funktion, wie sie in der Wikipedia vorhanden ist, bei der man Revisionen von Texten dokumentieren kann. Exzellenter Pfusch. Im Cache von Bing liegt dieser Hinweis auf Sappho noch vor. Stand: 9. Juni 2023 dürfte damit auch zur Art Dokumentenirrtum gehören.

Damit wird aber die Zitierweise komplett problematisch oder er gilt nicht für die kommentierten Links – mindestens stimmt aber nicht das Datum der Aktualisierung. In beiden Fällen handelt es sich um den Stand vom 9. Juni 2023. Offensichtlich sind die Inhalte der Abrufe vom 10. April und vom 25. Juni verschieden. Wie verlässlich sind dann die Daten an anderer Stelle in dieser von der Autorin als exzellent genannten Quelle?

Von Seiten der MUGI wird dagegen ins Spiel gebracht:

„Die kommentierten Links verweisen lediglich auf die Selbstdarstellungsseiten von zeitgenössischen Komponistinnen.“

Was nicht stimmt. Sie verweisen meistens auf etwas, was die Rezensentin des Lücker-Buches als „›aus dem Internet‹“ bezeichnet. Nachrufe, Radiosendungen, Beiträge in Online-Medien – querbeet. Die MUGI macht genau das, was Lückers Buch auch offenbar macht. Sie verweist auf anderes. Nur bei MUGI ist das exzellent, bei Lücker ist das …

Rezensions-Blümchen

In der Rezension des Lücker-Buchs, die in mehreren Kommentaren als „fundiert“, „sachlich“, „umfassend“ und „gründlich“ bezeichnet worden ist. Gleichzeitig wird an anderer Stelle der Vorwurf erhoben, das Buch Lückers genüge nicht journalistischen Standards. Wie steht es dagegen um die Rezension selbst. Genügt diese irgendwelchen Standards?

Was ist exakt?

„Allein das Studium der Belege vermittelt einen tiefen Einblick in das Niveau des Buches. So gut wie keine Angabe ist korrekt.”7kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

Warum so genau („so gut wie“)? Geht es präziser? Es gibt also wenige korrekte Angaben, wie viel mehr als keine darfs denn sein. Wissenschaftlich rezensieren, geht anders. Auch die Frage, wie denn ein (tiefer) „Einblick in das Niveau“ zu schaffen ist, wo man doch eher nicht in, sondern „auf“ ein Niveau blickt. Das sind nur einleitende Sätze, die belegen, dass das Niveau der Rezension vielleicht auch nicht so hoch, sondern niedrig ist. Und die Rezension dann vielleicht doch nicht so sachlich, gründlich und fundiert ist, wie es die Lobeshymnen der Kommentator:innen auf kontrovers darstellen. Aber mit Ätschi-Bätschi kommt man nicht weiter.

„Wenn Lücker doch mal – im Fließtext – Namen nennt, verwechselt er gerne Herausgeber*innen mit tatsächlichen Autor*innen der jeweiligen Beiträge.”8kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

Was die subjektive Einschätzung angeht, ob er dies „gerne“ tut oder nicht, scheint mir weniger wichtig als vielmehr eine Angabe, wann, wo und wie häufig. Exakt ist auch das nicht. So wenig wie die Schlussfolgerung:

„Es ist offensichtlich, dass Lücker – nach eigener Aussage studierter Musikwissenschaftler – elementare wissenschaftliche Arbeitstechniken nicht beherrscht.“9kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

Diese Schlussfolgerung geht auf die Person, aber sie leitet sich nur aus der Lektüre dieses Buches her. Die einzige mögliche Schlussfolgerung wäre, dass dieses Buch nicht „elementare wissenschaftliche Arbeitstechniken“ abbilde. Ob Lücker dazu „offensichtlich“ nicht in der Lage ist, wäre keine zulässige Schlussfolgerung.

Quellensicherheit im Internet

Zur Quellenlage bei der MUGI steht bereits oben etwas. Ob es sich also um exzellente Artikel handelt, zumal dann, wenn es keine gibt, muss jeder für sich entscheiden.

Mir geht es auch nicht um das Buch von Arno Lücker, das ich gar nicht kenne, das mich vom Thema her auch nicht interessiert und dessen Texte ich bereits teilweise im Van-Magazin gelesen habe. Was soll ich mit 250 Komponistinnen, die mich so wenig interessieren wie 250 Komponisten. Oder 1000.

Es scheint aber unter Umständen auch in der Rezension gar nicht um das Buch zu gehen, sondern um eine Abkanzelei. Dafür spricht, dass die Autorin dann in einem Kommentar aus einer Mail an die Hochschule für Musik Detmold zitiert, die gar nicht an sie selbst gerichtet war und womit sie gegen Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte verstößt. Das macht einen nicht froh und könnte noch ein spezielles Nachspiel haben und ist ein besonderes Ärgernis.

Was ist exakt? (II)

An einer Stelle wird die Rezensentin dann überaus exakt.

„Lediglich 36 % der insgesamt 514 Fußnotenbelege führen zu – im weitesten Sinne – wissenschaftlichen Publikationen, davon ganze 42 (8 %) zu gedruckten und 141 zu MUGI und dem Instrumentalistinnen-Lexikon. Der Rest, also fast zwei Drittel, ist ›aus dem Internet‹, …“10kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

Hier ist man ganz genau und es ist relativ unwahrscheinlich, dass die Autorin diese Zahlen selbst ermittelt hat, sonst hätte sie oben im Text auch exakte Zahlen vorlegen können. Dabei fällt auf, dass im engeren Sinne auch MUGI zu „aus dem Internet“ zählen dürfte. Aber was heißt das eigentlich? Zum Beispiel, ob auch unwissenschaftliche gedruckte Publikationen befussnotet worden sind (141 plus 42 würden zusammen 35,4 % aller Belege ausmachen – womit also anzunehmen ist, dass eben alle gedruckten Publikationen wissenschaftlich (im weitesten Sinne) wäre. Wäre es nicht vielleicht denkbar, dass die Quellenlage in weiten Teilen auch nicht so viel mehr hergibt. Denn die Forschung auf gedrucktem Papier zu Komponistinnen ist in der Tat nicht so umfangreich. Während die 8% für wissenschaftliche Literatur wenig sind, wird die Prozentzahl zu MUGI und Instumentalistinnen-Lexikon nur absolut genannt. Dabei sind es 27,4 Prozent! Also mehr als jede vierte Quellenangabe geht auf diese an sich nämlich hervorragenden Forschungseinrichtungen.

›aus dem Internet‹

„Neben (wenigen) Seiten wissenschaftlicher Einrichtungen sind Artikel aus nicht-wissenschaftlichen Lexika und Beiträge aus den Online-Ausgaben von Qualitätszeitungen, Zeitschriften und Rundfunksendern referenziert. Offizielle Websites zeitgenössischer Komponistinnen stehen neben privaten Seiten zu historischen …“11kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

›aus dem Internet‹ hat die Rezensentin geschrieben und meint damit, weil sie es in einfache Anführungszeichen setzt, dass diese Angaben genau was sind? Unseriös, oder unwissenschaftlich? Oder beides? Es finden sich also genau die Art Verweise, die auch das MUGI in in den kommentierten Links aufzählt. Was bedeutet das? In MUGI ist es wissenschaftlich, in Lückers Buch aber nicht! Schön wäre es, wenn man dann auch hier entsprechende Zahlen aufführen könnte, welche Belege was belegen. Es sind eben Quellen, gerade bei offiziellen Websites von Komponistinnen. Es kommt doch darauf an, ob sie korrekt sind oder nicht. Auch der Begriff der „Qualitätszeitung“ dürfte in die Welt der unwissenschaftlichen Mythologie gehören. Definiert ist der Begriff auch nicht, jedenfalls nicht so, dass er auf wissenschaftlichen Füßen stünde. Hier nur ein Link mit dem Versuch einer Einordnung, die in der Fußnote dann steht.12Relativ unabhängig von dieser wissenschaftlichen Diskussion ist die Bezeichnung bestimmter – meist überregionaler – Medien wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung oder der Zeit als Qualitätszeitungen. Sie basiert nicht auf einer systematischen Prüfung einer oder mehrerer der genannten Qualitätsdimensionen und drückt daher auch nicht die Eigenschaft bestimmter journalistischer Angebote aus, Qualitätsforderungen zu erfüllen. Vielmehr kennzeichnet der Begriff Medien mit besonders hohem Anspruch, etwa an Recherche oder das Themenspektrum, über das berichtet wird. Dadurch liegt allerdings nahe, dass Qualitätszeitungen Qualitätsforderungen bestimmter Gruppen (etwa politischer interessierter Teilöffentlichkeiten) eher erfüllen können als andere Medien.

Qualitäts-Musikwissenschaft

Aber Schuld am Erfolg des Autors und seiner Publikation seien am Ende auch:

„… Rezensent*innen der Qualitätspresse …“13kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

womit man sich also in Wortwahl deutlich an gesellschaftliche Gruppierungen anlehnt und zu allem Überfluss noch unterstellt:

„Setzte, wie so oft beim Thema Musik, das rationale Urteilsvermögen aus?“14kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

Dieser Vorwurf grenzt damit fast an Infamie, weil hier ein Generalverdacht gegenüber „Rezensentinnen der Qualitätspresse“15kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x erhoben wird, ohne ihn im Detail mit Quellen zu belegen. Dabei hatte die Autorin sogar, anders als die „Rezensentinnen der Qualitätspresse16kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x Zugriff auf Mitarbeit bei der eigenen Rezension, was Rezensent*innen der Qualitätspresse17kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x eher nicht haben.

„Für die Unterstützung bei der Recherche für diesen Beitrag danke ich den Kolleginnen aus der Fachgruppe Frauen- und Genderstudien der Gesellschaft für Musikforschung und dem Archiv Frau und Musik sehr herzlich.“18kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x

Wer genau und in welchem Maße, das verschweigt die Rezensentin der, ich muss es jetzt mal loswerden, Qualitäts-Musikwissenschschaft.


Wir reden hier über eine Publikation, die für ein Publikum gedacht ist, das eher weniger guten Zugang zu musikwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen hat. Das nur mal am Rande noch erwähnt. Bei dieser Art mit so einer Publikation umzugehen, wird sich das auch nicht so schnell ändern.

Die Schlussbemerkung ist das nämlich aufschlussreich:

„Aber vielleicht müssen wir Genderforscher*innen aus der Musikwissenschaft – denen Lücker den Löwenanteil des von ihm verwerteten Wissens verdankt – uns auch an die eigene Nase fassen: Warum hat nicht eine von uns die aktuelle Komponistinnen-Konjunktur genutzt, um die Marktlücke mit einem seriösen Buch zu füllen?“19kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x – Hervorhebungen von mir.

Während die Rezensentin weiter oben noch mit Sternchen gendert („wir Genderforscher*innen aus der Musikwissenschaft“), heißt es am Ende „eine von uns“ nur darf es sein. Es geht also um ein WIR gegen DEN DA.20Und der Grund sei etwa nicht Wissenschaft, sondern Marktlücke. Das wäre jetzt aber in der Tat ein echter Clou der musikwissenschaftlichen Forschung, also ob diese jemals zuvor eine Marktlücke geschlossen hätte. Naja, vielleicht Janko Röttgers mit „Mix, Burn & R.I.P. – Das Ende der Musikindustrie, 2003, ISBN 3-936931-08-9.“ Oder die ganz vorzüglichen Bücher von Albrecht Dümling, die aber eher auch keine Marktlücken bedienen.

Man kann sich aber sehr lebhaft ausmalen wie ein musikwissenschaftlich durchfundiertes, umfassendes und gründliches Werk zum Marktlückenthema aussehen würde. Apropos: Auf gehts, da nach Rezensentinnen-Meinung die Marktlücke offenbar nicht mit der Publikation von Arno Lücker geschlossen worden ist.

Ach, darum geht es?

Absicht oder Schlurigkeit

Ein Kommentar der Rezensentin macht das ganz klar, aus den nicht sachgemäßen Kritikpunkten (ich rede nicht von faktischen Fehlern, die in dem Buch vorkommen), wird der Schluss gezogen, man müsse vor dem Autor warnen, denn er versucht, sich für die Lehre anzubieten. Das geht ebenso deutlich zu weit und ist eine gutachterliche Anmaßung. Es geht wie beim „WIR“ und „DER DA“ um eine Machtdemonstration. In diesem Fall ist sie zudem grob missbräuchlich.

Den Namen der Rezensentin bekommen Sie, geneigte Leser:innen über den Link heraus, denn im Zitationsvorschlag (siehe oben), an den man sich doch bequemerweise halten könne, wie die Rezensentin empfiehlt, ist er nicht erwähnt. Man will ja schließlich korrekt sein.


Ergänzung (27.6.2024): Dass es so einfach ist, eine Retourkutsche zu formulieren, die Kritik an sachlichen Mängeln steht auf einem anderen Blatt, lässt den Schluss zu, dass es gar nicht um die Sache geht.

 

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Fussnoten:

  • 1
    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x
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    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x
  • 3
    Der Blog kontrovers versteht sich als Gesprächsplattform für Musikwissenschaftler*innen aller Teildisziplinen. Ziel des Blogs ist eine sachliche Debatte über Kernfragen des Fachs, in der Hierarchien des akademischen Systems keine Rolle spielen und auch unfertige und strittige Gedanken ein Forum finden. — Quelle: https://kontrovers.hypotheses.org/ueber-kontrovers – dort am 26.6.2024 um 18:20 so gelesen, Screenshot zur Dokumentation gesichert.
  • 4
    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x
  • 5
    https://de.wikipedia.org/wiki/Uniform_Resource_Locator
  • 6
    MUGI Redaktion, Artikel „Kaija Saariaho“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard, Nina Noeske und Silke Wenzel, HfMT Hamburg, 2003ff. und HfM Weimar, 2022ff. Stand vom 9. Juni 2023, online verfügbar unter https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000703, zuletzt abgerufen am 26. Juni 2024.
  • 7
    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x
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    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x
  • 12
    Relativ unabhängig von dieser wissenschaftlichen Diskussion ist die Bezeichnung bestimmter – meist überregionaler – Medien wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung oder der Zeit als Qualitätszeitungen. Sie basiert nicht auf einer systematischen Prüfung einer oder mehrerer der genannten Qualitätsdimensionen und drückt daher auch nicht die Eigenschaft bestimmter journalistischer Angebote aus, Qualitätsforderungen zu erfüllen. Vielmehr kennzeichnet der Begriff Medien mit besonders hohem Anspruch, etwa an Recherche oder das Themenspektrum, über das berichtet wird. Dadurch liegt allerdings nahe, dass Qualitätszeitungen Qualitätsforderungen bestimmter Gruppen (etwa politischer interessierter Teilöffentlichkeiten) eher erfüllen können als andere Medien.
  • 13
    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x
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    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x
  • 17
    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x
  • 18
    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x
  • 19
    kontrovers (2024, 21. Juni). Tragik des Augenblicks. Zu Arno Lückers »250 Komponistinnen. Frauen schreiben Musikgeschichte«. kontrovers. Abgerufen am 26. Juni 2024, von https://doi.org/10.58079/11v9x – Hervorhebungen von mir.
  • 20
    Und der Grund sei etwa nicht Wissenschaft, sondern Marktlücke. Das wäre jetzt aber in der Tat ein echter Clou der musikwissenschaftlichen Forschung, also ob diese jemals zuvor eine Marktlücke geschlossen hätte. Naja, vielleicht Janko Röttgers mit „Mix, Burn & R.I.P. – Das Ende der Musikindustrie, 2003, ISBN 3-936931-08-9.“ Oder die ganz vorzüglichen Bücher von Albrecht Dümling, die aber eher auch keine Marktlücken bedienen.
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