14. Mai 2024 Die Masse lebt

Begriffsschwund: Kultur

Aber eine Kulturdebatte ist heute von äußerster Dringlichkeit. Denn der inflationäre Gebrauch des Wortes Kultur verweist auf eine Sinnentleerung, nützlich für alle Formen des Etikettenbetrugs. Kultur wird offensichtlich überall dort als Markenzeichen benutzt, wo man etwas verbergen will oder wo etwas verdreht werden soll …

Das hat Oskar Negt auf Seite 413 in “Arbeit und menschliche Würde” (Göttingen 2002) geschrieben. Es ist auch dies symptomatisch. Der Ausverkauf betrifft die Gegenstände wie die Rede über oder von den selben. Man kann heute nach den diversen “Bildungs-Schocks” auch den Begriff der Bildung hinzufügen. Angeblich entdecken nämlich selbst Politiker an den Schalthebeln des Parlaments die Notwendigkeit einer Bildungs- und Kulturoffensive. Man muss nur beides genügend “aufwerten” und schon sind angeblich die (alle/einige? alle!) Probleme gelöst.

Mir mutet das anders an. Nicht fehlende Bildung, nicht fehlende Kultur sind das Problem, sondern ihre Besetzung durch Personen oder Dinge/Entwicklungen und damit ihre Fixierung auf Maße, Normen und Werte. Es geht nämlich nicht um Bildung oder Kultur, sondern um deren Kontrolle und Evaluierungsfähigkeit.

An diesen beiden Begriffen – Bildung und Kultur – wird weiter geübt, was sowieso statthat. Ihre Maximierung nach bilanztechnischen Methoden. Humboldt und Kant kann man in der Pfeife rauchen, denn sie gingen von einem substanziellen Begriff von Kultur/Bildung aus. Es ging darum, beides als Mittel der Eigen- und auch Gruppenorganisation zu entwickeln, die nicht abstrakten, übermenschlichen Regeln folgen, sondern diese Regeln erst im Vollzug ausbilden. Das ist Arbeit!

Doch überall in den Bereichen von Kultur und Bildung schwindet der Begriff der Arbeit. Die einzige mögliche scheint mir eher jene zu sein, sich davor zu schützen, sich selbst zu bewahren zu versuchen vor den Angriffen auf die Sinne, die eher aussehen wie ästhetischer Krieg.

Neben dem Polizeistaat haben wir auch einen ästhetischen Staat sehr zu fürchten. Ein gutmeinendes Total, wie es der öffentlich-rechtliche Rundfunk neben den privaten Unternehmungen gerne exekutiert.

 

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